Wir erinnern uns, dass es findigen Seouler Werbemenschen gelungen war, den koreanischen Satz 고맙습니다 („Danke“) so zu schreiben, dass es wie arabische Schrift aussieht:
Wir erinnern uns auch, dass ich zuvor aufgegeben hatte, zu entziffern, welche arabischen Buchstaben hier verwendet wurden. Es ist schwierig, weil
- die Buchstaben miteinander verbunden sind, so wie in tatsächlicher arabischer Schrift. Wer nicht arabisch lesen gelernt hat, kann nur raten, wo ein Buchstabe aufhört und der nächste beginnt.
- viele arabische Buchstaben stark unterschiedliche Formen annehmen, je nach dem, ob sie allein dastehen, nach links, nach rechts oder nach beiden Seiten verbunden sind. Man spricht von isolierten, initialen, finalen und medialen Formen. Versucht man etwas zu entziffern, muss man also nicht nur mit 28 (so viele Buchstaben hat das arabische Alphabet), sondern mit 66 Glyphen abgleichen, siehe diese Tabelle.
- die koreanischen Designer sich nicht überall an diese positionsabhängigen Formen gehalten haben, sonst hätte man sich bei der Suche nach einem bestimmten Segment ja jeweils auf eine Spalte der Tabelle beschränken können. Namentlich scheint mir der zweite Glyph von rechts ﻏ zu sein, die initiale Form des Ghain. Diese könnte eigentlich keine Verbindung nach rechts haben; die Verbindung wurde wohl hineingephotoshopt. Abgesehen davon ist es mir letztlich (siehe unten) gelungen, alles ohne illegale Verbindungen nach rechts oder links zu erklären, allein das linke von den beiden Zeichen unterhalb der Grundlinie, meinem Dafürhalten nach ein ج (Dschim) wurde nach oben verbunden.
- die koreanischen Designer sich auch sonst mehr künstlerische Freiheit genommen haben als bei den anderen beiden Plakaten: Ich habe mir für diesen Blogeintrag gerade mal so die Grundlagen der arabischen Schrift angelesen und kenne natürlich nicht übermäßig viele arabische Schriftarten, aber mir scheint, dass Teile mancher Buchstaben weggeschnitten und manche Größenverhältnisse manipuliert wurden.
Hier nun meine Theorie, welche Zeichen für das gelbe Plakat benutzt wurden, an welcher Stelle und mit welchen Manipulationen:
Hangul-Silbenblock | Hangul-Buchstabe | Fremdes Zeichen | Schrift | Anm. |
---|---|---|---|---|
고 | ㄱ | ﺤ (Hāh, medial) | Arabisch | 5 |
ㅗ | ﺰ (Zāin, final) | Arabisch | 6 | |
맙 | ㅁ | ﻌ (’Ain, medial) | Arabisch | |
ㅏ | ﻟ (Lām, medial) | Arabisch | ||
ㅂ | ﺝ (Dschīm, isoliert) | Arabisch | ||
습 | ㅅ | ﻨ (Nūn, medial) | Arabisch | |
ㅡ | (fehlt) | |||
ㅂ | ظ (Zā, isoliert) | Arabisch | ||
니 | ㄴ | ﺴ (Sīn, medial) | Arabisch | 7 |
ㅣ | ||||
다 | ㄷ | ﻏ (Ghain, initial) | Arabisch | |
ㅏ | ﻟ (Lām, initial) | Arabisch | 8 | |
١ (1) | Indische Ziffern |
5 Klassischerweise sieht das mediale Hāh deutlich anders aus, aber in modernen Schriftarten mit strenger Geometrie tatsächlich manchmal einfach wie ein Bogen, der an der durchgezogenen Grundlinie endet. Ich habe allerdings noch nie gesehen, dass es sich unten wieder so weit nach links krümmt, wie es auf dem Plakat aussieht, daher habe ich an der Hāh-Theorie noch so meine Zweifel. Auch nicht besser gefallen mir allerdings die Möglichkeiten, der ganze erste Silbenblock könnte durch ein ذ dargestellt sein, das den Punkt in der Öffnung statt oben hat, oder durch ein ن, das nach links statt nach oben geöffnet ist.
6 Hier brauchte ich irgendeinen Buchstaben, der nur aus einer niedrigen Spitze mit Punkt drüber besteht. Das Zāin passte gut, wenn man seinen Schnörkel links wegschneidet.
7 Hier wurde m.E. der ganze Silbenblock durch ein Sīn dargestellt, dem allerdings die mittlere Spitze entfernt und die rechte möglicherweise noch etwas nach oben verlängert wurde. Dafür spricht auch der große Abstand zu dem Nūn links daneben, den man in manchen Schriftarten wiederfindet, zum Beispiel in Linotypes Neue Helvetica Arabic, aber nicht in Frutiger Arabic (fünftes Wort von rechts; Quelle). Die horizontale Linie, die diesen Abstand ausfüllt, könnte man sogar als das im Silbenblock links daneben fehlende koreanische U deuten.
8 Hier wurde in die andere Richtung vom Ein-Zeichen-pro-Hangul-Buchstabe-Prinzip abgewichen: Das ㅏ wurde durch ein initiales Lām und ein Strichelchen dargestellt, das mir von Form und kulturellem Kontext her am ehesten wie die Indische Ziffer 1 vorkommt. (Ja. Im Arabischen werden Zahlen mit – ihrer Herkunft nach so genannten – Indischen Ziffern geschrieben. Was wir Arabische Ziffern nennen, sind die abendländischen Fortentwicklungen derselben, die sich in der Form schon recht stark unterscheiden.)