Während meiner Studienzeit folgte ich auf digitalen wie analogen Ordnern strikt einem genau definierten System von Kurzbezeichnungen für Lehrveranstaltungen. Sie setzten sich aus den Anfangsbuchstaben aller Wörter im offiziellen Titel der jeweiligen Lehrveranstaltung zusammen, mit Ausnahme von Präpositionen, Artikeln, Relativpronomen und Konjunktionen. ((Das sind auch die Wörter, die ich in englischen Titeln nicht großschreibe, seit mir eine befreundete Anglistin diese Liste zu meiner großen Freude einmal lieferte. Ich nenne es die PARK-Regel.)) Das hässlichste so entstandene Kürzel ist UNLPFLASLL (Using Natural Language Processing to Foster Language Awareness in Second Language Learning), das schönste CAFE (Computational Approaches to Functional Elements). Auch hübsch: CARTESE (Computational Approaches to Recognizing Textual Entailment and Semantic Equivalence).
Archiv der Kategorie: Schule und Studium
Literaturprojekt: Eine Kurzgeschichte als Maxi-Single
Text von 2004 (Mal wieder. Was für ein kreatives Jahr!)
Wenn man heutzutage in einen Plattenladen geht und eine Single ersteht, bekommt man „entschieden zu viel für sein Geld“ (Max Goldt). Auf den silbernen Datenträgern fürs heimische Reflektophon findet sich eine Vielzahl von Versionen und Remixes, je nach Genre auch Edits, Instrumental Remixes und bei DJs, die glauben, sich etwas schuldig zu sein, auch Experiences, Visions, Ultra Chemical Spicy Acceleration Hybrid Reconstructions gar!
Meine Idee ist, dieses Prinzip auf eine geeignete selbstverfasste oder geklaute Kurzgeschichte anzuwenden, einige Versionen von ihr zu verfassen und dabei Motive, Sprache, Erzählstil, Ausführlichkeit, Kunstgriffe, Perspektive, Abstraktionsgrad, Schwerpunktsetzung etc. bei gleich bleibendem Thema und Handlung auf unterschiedlichste Art und Weise zu variieren. Das Endprodukt ist die „Maxi-Single“ einer Kurzgeschichte, ein variantenreicher literarischer Leckerbissen, für den der Ladenpreis von € 6,99 angemessen erscheint.
Umschlaggestaltung
Das Tollste an Reclam-Heften ist ja ihr knallig einfarbiger Umschlag, der gelangweilten Schüler/inne/n reichen Gestaltungsspielraum bietet. Anlässlich der jüngsten Neugestaltung der Reclam-Hefte erfuhr ich, dass es auch einen Reclam-Band gibt, der solcherart neu gestaltete Umschlagvorderseiten zeigt. Ich bestellte ihn, erhielt ihn heute und stelle hiermit zur Schau, dass auch ich dieser Kunstgattung eine Weile lang zugeneigt war. Ich zierte meine Hefte mit Schwarzweißversionen der Logos von Audiogalaxy, Sony Ericsson und Three:
Vornamen und Vorurteile
Abschlussrede für das Seminar Rede- und Präsentationskompetenz im Wintersemester 2006/07, basierend auf diesem Rant aus dem Jahr 2004. Mit freundlicher Genehmigung des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen.
Da hat sich die Natur schon was bei gedacht
Frau Schäfer, unsere Biolehrerin, war immer sehr darauf bedacht, dass wir unser Verständnis evolutionärer Mechanismen nicht durch teleologische Metaphern umwölken. Sie verbot uns zu sagen, dass die Giraffe einen langen Hals hat, damit sie Blätter von hohen Bäumen essen kann, nein, der lange Hals hatte einen evolutionären Vorteil dargestellt und sich daher in der Art erhalten. Verständlich, doch mit der Behauptung, teleologische Beschreibungen evolutionärer Vorgänge seien falsch, hatte und habe ich meine Schwierigkeiten – schließlich sind es doch nur Metaphern zur Beschreibung derselben Wirklichkeit.
Den Einwand, in der Evolution spiele Zufall eine viel zu große Rolle, um sich die Kombination aus Mutation und Selektion als planerischen Geist vorzustellen, lasse ich nicht gelten: Unsere Vorstellung von Intelligenz ist ja eine, die auf der Anschauung von Gehirnen basiert, die selbst durch evolutionäre Prozesse zustandegekommen sind und bei denen daher der Zufall jede Chance hatte, Quirks einzubauen, die sich in den Werken dieser Intelligenz fortsetzen.
In diesem Sinne kann man, mit dem gebotenen ironischen Unterton, durchaus ab und zu mal feststellen: Da hat sich die Natur schon was bei gedacht.
Feier des Lebens III
Über mein Gemälde Feier des Lebens sagte ich ja einst:
Wie gesagt, es ist zum Glück leider nicht erhalten. Ich habe allerdings noch das abstrakte Bild, in dem ich nach dem nächtlichen Fertigmalen von Feier des Lebens meinen Frust sublimierte: V for Violence (2003, Abtönfarben und Folie auf Karton, 59,4 cm x 42 cm) in Wuppertal herumliegen.
Und so ist es auch:
Die Rhetorische Orgel
Feier des Lebens II
Neulich ging es darum, wie ich einmal ein Bild malen musste, versagte und dann auch noch einen schriftlichen Kommentar zu meinem Versagen schreiben musste. Ich habe jetzt die etwas geschliffenere Version des Kommentars wiedergefunden, die ich hinterher abgab. Ganz interessant, wie ich das damals gelöst hab:
„Feier des Lebens“ – schriftliche Erläuterung zu Konzept, Vorgehen und Ergebnis der Arbeit
Konzept
Die Bürde, malerisch einen intensiven Ausdruck von Lebensfülle und Lebensfreude vermitteln zu sollen, weckte so morbide Fantasien in mir, dass das Thema einer Totenerweckung recht schnell feststand. Ich brachte dieses dann zur Synthese mit der geforderten Lebensfreude, indem ich mich entschloss, mein Bild so zu konzipieren, dass das Wunder der Lebensfreude durch den scharfen Kontrast zu einer düsteren, bedrohlichen Umgebung besonders stark herausgestellt wird. Eine subtile Verbindung formaler und inhaltlicher Gestaltungsmittel sollte diesen Gegensatz mit vereinten Kräften zum Ausdruck bringen.
Inhalt
Mitten in dunkelster Nacht, vor sturmgepeitschten Bäumen, sieht man ein von den Toten auferstandenes Gerippe auf einer Wiese mit einer Frau tanzen. In einer bedrohlichen und der Lebensfreude eigentlich feindlichen Situation ist sowohl ein großes Feuer als auch eine Liebe entbrannt, die sogar den Tod besiegt und das Wunder des Lebens neu aus der Taufe hebt. Kann die Lebensfreude größer sein als nach einem solchen Triumph?
Form
Um die bedrohliche, nächtliche Umgebung darzustellen, beschloss ich, das Farbspektrum auf dunkelblaue und blaugrüne Töne zu reduzieren und nur im inhaltlichen Zentrum des Bildes – das tanzende Paar, gewärmt und beleuchtet durch das Feuer im Ölfass – hellere sowie rote und violette Töne zuzulassen. Mit diesen Vorgaben trat ich an das Malen selbst heran.
Vorgehen
Während der Malarbeit entwickelte ich u.a. folgende Vorgehensweisen:
- tupfender Farbauftrag, um der Darstellung Struktur zu geben und sie vom Naturalistischen zu abstrahieren
- Grundrichtung des Farbauftrags entlang der steigenden Bilddiagonalen, um Bewegung in das Bild zu bringen und einerseits die Wildheit der stürmischen Nacht und andererseits die Entwicklung zum Positiven, zum Leben hin, die im Zentrum stattgefunden hat, zu unterstreichen
- bei Bäumen, Wiese und Büschen im „dunklen“ Bereich sehr dicker Farbauftrag, um die Strukturwirkung des tupfenden Farbauftrags in Ermangelung allzu vielfältiger Farbdifferenzierungen (bedingt einerseits durch das Konzept, andererseits durch meine sensationelle Unfähigkeit auf diesem Gebiet) zu verstärken
- bewusst undetaillierte, fast schemenhafte Darstellung der beiden Personen, um ein gewisses Verlorensein in der bedrohlichen Umgebung auszudrücken, gegen das sich ihre Lebensfreude jedoch erfolgreich durchsetzen sollte
Ergebnis
Ohne Frage liegt dem Ergebnis eine deutlich sichtbar persönlich geprägte Bildgestaltung zugrunde, die erkennbar zu „abgenudelten Klischees der Werbung“ Abstand hält. In Ermangelung handwerklichen Know-hows und durch eine gewissen Schwankungen unterworfene Motivation sind jedoch einige in Konzept und Vorgehen beabsichtigte Effekte leider nur bedingt gelungen. In Zusammenhang mit dem Joch der Auflagen, die in der Aufgabenstellung genannt werden, könnte man insbesondere kritisch anmerken, dass eine wesentliche Bestimmtheit des Farbkonzeptes von vielfältig differenzierten, leuchtend bunten Farben im Rahmen meines Konzeptes nur eingeschränkt möglich war und das Bildgeschehen komplexer sowie dynamischer über mehrere Raumzonen verteilt sein könnte.
Feier des Lebens
Herr K. und ich verabschiedeten uns vom schulischen Kunstunterricht gleichzeitig: er durch Ruhestand und ich durch Abwählen. Bevor er ging, wollte er noch einmal eine riiichtig schöööne Aufgabe stellen. Unter dem Titel „Feier des Lebens“ sollten wir mit dem Pinsel einen „intensiven Ausdruck von Lebensfülle und Lebensfreude“ zu Karton bringen und dabei erkennbar „von abgenudelten Klischees der Werbung Abstand halten“. Die präpensionäre Sentimentalität und der plötzliche Spaß an der Freude hinderten Herrn K. nicht daran, uns einen saftigen Katalog mit formalen Auflagen aufzubürden. Als ich den in Händen hielt, war meine Motivation sofort auf dem Nullpunkt und würde bis zur Fertigstellung des Bildes immer weiter sinken. Wie ich in den vergangenen Wochen hierzublog demonstriert habe, hält sich mein künstlerisches Talent in Grenzen. Doch nie hatte ich so versagt wie bei „Feier des Lebens“, das zum Glück leider nicht erhalten ist. Zu allem Überfluss mussten wir auch einen schriftlichen Kommentar abgeben, wie wir die Auflagen umzusetzen getrachtet hatten und wie uns das gelungen war. Und was tut man, wenn man eine supernervige Schreibaufgabe und keine Lust hat? Man schreibt eine Trash-Version, und die folgt jetzt hier. Die hinterher abgegebene Fassung würde an polemischer Schärfe verlieren, sie aber nicht völlig einbüßen.
Erläuterungen zu dem Schrott, den der in einem Anfall geistiger Umnachtung Kunst gewählt habende Kilian da abliefert
Meine Bildidee ist lebendig wie Sau. Ein Skelett, einer Toter!, tanzt mit einer Frau. Wenn darin keine Lebenskraft liegt!
Mit der Malerei ist das so eine Sache. Durch die Pinselführung habe ich mich bemüht, Ihren kruden Kriterien nahe zu kommen. Das groteske Gekleckse, das dabei herausgekommen ist, sollte eigentlich wie bei Van Gogh aus dynamischen Einzelstrichen bestehen und so einen Eindruck vermitteln, als würden Lebensgeister entlang der steigenden Bilddiagonalen mitten durch das Bild fliegen. Dass dies nicht gelungen ist, liegt wohl unter anderem daran, dass ich entweder keinen blassen Schimmer habe, wie die Technik, Farben in feinen Abstufungen festzulegen, zu mischen, und Übergänge zu erschaffen, funktionieren soll, ohne eine fertig gemischte Palette mit feinen Farbabstufungen, die dreimal von der Erde bis zum Mond und zurück reicht, sowie Farben, die 36 Stunden brauchen, bevor sie trocknen, zur Verfügung zu haben, oder schlicht und einfach in dieser Beziehung zwei linke Hände mit zehn Ringfingern habe. Auf jeden Fall hat die Arbeit an diesem Bild meine Entscheidung, Kunst abzuwählen, endgültig zementiert.
Ob Ihnen ein Gerippe, das im Schein eines brennenden Ölfasses des nachts in einer dunklen, schlecht gemalten Umgebung mit einer gesichtslosen Dame in einem geschmacklosen Kleid tanzt, einen intensiven Ausdruck von Lebensfülle und Lebensfreude vermittelt, weiß ich nicht. Mir jedenfalls kommt die dargestellte Szene um Galaxien herzerwärmender vor als die Verpflichtung, ein Bild nach Ihren Auflagen malen zu müssen.
Über persönliche Bildgestaltung und Abstand zu abgenudelten Werbeklischees müssen wir nicht reden – diese Auflagen habe ich auf jeden Fall so gut erfüllt, dass dies alle eventuellen Schwächen des Bildes verblassen lässt und eine Einführung der 1++ (16 Punkte) als Bewertung für mein Bild die einzig angemessene Antwort auf meine grandiose Leistung wäre. Dadurch relativiert sich das Folgende; es ist so irrelevant, dass Sie es im Grunde nicht zu lesen brauchen. Loben, preisen Sie mich, schreien Sie Halleluja.
Auflage: Das Farbkonzept ist wesentlich – nicht ausschließlich – bestimmt von vielfältig differenzierten leuchtend bunten Farben.
Leuchtende, wenn auch nicht bunte, geschweige denn vielfältig differenzierte, Farben, treten ausschließlich beim Feuer auf, das mir – abgesehen davon, dass es dem, was es sein soll, kein bisschen ähnlich sieht – wunderbar gelungen ist. Es ist das farblich bestimmende Zentrum des Bildes und als solches wunder-wunderschön. Das restliche Bild ist eine sich beißende Akkumulation Ekel erregender Blaugrün- und Violetttöne, deren Ästhetik hinter jeder der verschmierten Farbpaletten, die ich im Laufe des Entstehens meines Werkes im Mülleimer versenkt habe, weit zurückbleibt.
Wie bereits weiter oben erläutert, dokumentiert das Bild des weiteren meine sensationelle Unfähigkeit im Umgang mit Farbverläufen und -differenzierungen, sodass der ansonsten genial gemachte Feuerschein in der linken Bildhälfte aussieht wie ein Foto, das im 16-Farben-Format gespeichert wurde, und die Ausgestaltung des Nachthimmels sowie der Büsche im Vordergrund nicht einmal als einfarbiger Anstrich einer Gefängnisfassade akzeptabel wäre. Das hat aber seinen Reiz und ist eigentlich Absicht gewesen. Geben Sie mir eine Eins dafür.
Auflage: Gezeigt wird ein Geschehenszusammenhang.
Mitten in der dunklen Nacht brennt ein Feuer und spendet Licht und Wärme für zwei Tanzende. Falls Sie es wagen sollten, das zu wenig an Geschehenszusammenhang zu finden, werd ich Ihnen aber eigenhändig, darauf können Sie Gift nehmen. Es wird Sie dann auch nicht mehr viel toter machen.
Auflage: Das Bildgeschehen spielt in mehreren Raumzonen.
Das Ölfass befindet sich ein paar Zentimeter näher am Betrachter als die Tanzenden. Ende der Diskussion.
Auflage: Ein bewegter Vorgang ist dargestellt.
Die starre Pose, die die beiden… äh… Figuren da einnehmen, soll ein Tanz sein. Das ist nicht leicht zu malen, also halten Sie die Klappe.
Auflage: Wenigstens eine Person in bildwichtiger Rolle.
Ha! Volltreffer! Ich hab 200% dieser Auflage erfüllt! Ich sprenge jede Skala! Ich bin ein Genie!
Auflage: Die Gegenstandsdarstellung kann ausdruckhafte Eigenschaften durch akzentuierte Form- und Farbgebung sowie Pinselführung übertreiben, darf aber den allgemeinen Sehgewohnheiten nicht grundsätzlich widersprechen.
Auf Deutsch heißt das wohl: Man muss erkennen können, was es sein soll. Dieses Kriterium ist mit absoluter Sicherheit erfüllt, vorausgesetzt, ich stehe neben dem Betrachter und erkläre es ihm. Der Darstellungsmodus meines Bildes ist überdies nichts, wofür ein Fünftklässler, den man mit einem Wasserfarbkasten und einem Blatt Papier eingesperrt hat, nicht zumindest ein „Befriedigend Plus mit Sternchen“ und ein warmherziges Lächeln von Frau B. bekommen würde.
Berücksichtigen Sie meine entwaffnende Ehrlichkeit und die angesprochenen, absoluten Qualitäten bei Notengebung und eventuellen ausufernden mündlichen Kommentaren, und Sie können Ihren von Ihren Schülern lang ersehnten Ruhestand genießen. Tun Sie es nicht, und meine Rache wird fürchterlich sein.
Ergebenst
Ihr sichtlich mit den Nerven fertiger
Kilian
P.S.: Herr K. gab mir eine Zwei.
„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“
In der elften Klasse kriegte ich einen neuen Kunstlehrer, Herrn K. Als erstes sollten wir für ihn eine telefonierende Person zeichnen. Diese bemitleidenswerte Frau war mein Versuch, ohne Hand und Hörer davonzukommen. Hat nicht funktioniert, Herr K. ließ es nicht gelten. Über Kunst bei ihm wird hier in Kürze mehr zu lesen sein.