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Die Schrecken der Facebook-Timeline

Wenn Walter Jens Boris Jelzin lila Lutschmobil genannt hätte, dann hätten die Menschen gesagt: »Welch meisterliche Rhetorik!«, wenn ich Jelzin so bezeichnen würde, würde es heißen: »Was für eine skurrile Alltagsbeobachtung!«, und wenn Reinhold Messner über Boris Jelzin gesagt hätte, er wäre ein lila Lutschmobil, hätten alle gerufen: »Was für ein schönes Gebirgsvideo!« Aber wenn Helmut Kohl so etwas sagt, hinterläßt er angeblich einen Scherbenhaufen.

Max Goldt, Warum Dagmar Berghoff so stinkt, Die Kugeln in unseren Köpfen, Haffmans 1995

Und wenn Facebook Boris Jelzin ein lila Lutschmobil nennt (oder die Timeline einführt, oder die Schriftart ändert, oder den Blauton…), sagen alle: „Was für ein dreister Angriff auf meine Privatsphäre!“

Eine kleine Taxonomie der Funktionen von Twitter-Hashtags in meiner Timeline

Hashtags dienen dazu, Tweets zu gruppieren:

  • Tweets zu einem Thema, dass für einen relativ engen, wohldefinierten Personenkreis interessant ist, z.B. für die Teilnehmer einer bestimmten Veranstaltung wie #28c3 oder #spack0.
  • Tweets, die eine Serie bilden, ein bestimmtes Mem instanziieren, das für alle interessant ist, die daran Freude haben, z.B. #lessambitiousbooks oder #ThingsWhitePeopleInvented. Ähnlich wie eine Kolumne oder regelmäßiger Cartoon in einer Zeitschrift, mit dem Unterschied, dass alle mitmachen können. Auch Werbekampagnen werden in diesem Format betrieben, z.B. #ProgressIs von Audi.
  • Tweets zu einem aktuellen, das Interesse großer Teile der Twitteröffentlichkeit auf sich ziehenden Thema, wie z.B. #Wulff oder #kuerschnergate.

Hashtags dienen dazu, nicht ausformulierte Neben-Kommentare zu einem Tweet hinzuzufügen:

  • Sie enthalten kurze, oft emotionale Reaktionen auf den Gegenstand des Tweets, etwa #happy, #fail, #wtf oder #iwouldratherhaveamoose. Dieser Typ wird in einem Language-Log-Artikel, insbesondere in jk’s Kommentar, sowie im New Yorker ausführlicher auseinandergenommen. Er ist auch der Typ Hashtag, der es am stärksten schon in den mündlichen Sprachgebrauch geschafft hat.
  • Sie geben an, worauf sich der Tweet bezieht. Beispiel bei @kathrinpassig: Auch immer schön: Der Vorwurf alter gebildeter Männer, das Internet biete nur Partizipationsmöglichkeiten für junge gebildete Männer. #boell. Und bei @dnaberDas Android „Sicherheits“-Update von neulich sorgt für deutlich längere Akkulaufzeiten. Hatten bisher Hacker meinen Strom gestohlen? #G1.
  • Sie erklären unauffällig einen Witz oder eine Anspielung, damit die Gebildeten nicht Duh und die Ungebildeten nicht Huh sagen. So @VonFernSeher@sixtus Wenn #Schubert heute lebte: „Alles als gewesen markieren“ #winterreise
  • Sie stellen den Tweet in einen Kontext, der den Erwartungen völlig zuwiderläuft und bilden dadurch erst die Pointe. So @Ohiogasimas: Hitler, er ist offen und kann auf Leute zugehen. #wettendass. Das ist übrigens meine Lieblingsfunktion bei Hashtags. Wenn ihr weitere gute Beispiele kennt, bitte mich drauf aufmerksam machen!

Hashtags dienen dazu, Leser/innen zu lenken:

  • Eine Mini-Inhaltsangabe bzw. Themenbestimmung bei Tweets, die ansonsten nur aus einem Link und vielleicht einer kurzen emotionalen Reaktion bestehen, so z.B. @textundbloghehe RT @ennomane: Wie geil! http://www.duden.de/rechtschreibung/Pirat #Duden #Piraten. Eine ähnliche Funktion haben in längeren Tweets scheinbar thematisch gruppierende Hashtags mit recht weiten, allgemeinen Themenfeldern wie #typografie oder #kurzfilm. Sie sehen zunächst ähnlich aus wie die strukturierenden Kategorien auf Wikipedia, werden aber ja nicht systematisch so verwendet, dienen also eher dazu, dem Folgefröschschen schnell zu vermitteln, ob der Link in dem Tweet es wohl interessieren wird.
  • Querverweise ermöglichen eine schnelle Suche nach Stichwörtern, die vom Kernthema des Tweets wegführen, wie z.B. #Schubert in @VonFernSeher’s Tweet@sixtus Wenn #Schubert heute lebte: „Alles als gewesen markieren“ #winterreise. Persönlich halte ich diese Verwendungsweise für zweifelhaft und eine Verwechslung von Twitter mit Wikipedia.
  • Schlagwörter werden durch das Doppelkreuz hervorgehoben. In längeren Texten dienen solche Hervorhebungen der Unterstützung des Diagonallesens, was sich bei Texten unter 141 Zeichen eher erübrigt. Das Motiv ist wohl mehr, mit aufgeladenen Begriffen der Leser/innen Aufmerksamkeit zu grabschen, wie @unreality in zwei Beispielen schön vorführt: Liebes #Google, wäre es evtl. möglich, zu erkennen, dass ich schon 1.000 mal den neuen Look bestätigt habe? In allen Anwendungen. Täglich. Und: Sagt mal, #Bushido, das war doch der mit dem kleinen Penis, oder? Es geht übrigens nicht nur um die Aufmerksamkeit derjenigen, die den Tweet eh lesen, weil sie @unreality folgen, sondern auch um die Aufmerksamkeit derer, die sich z.B. für Bushido interessieren und auf Twitter nach seinem Hashtag suchen. Zu dieser Gruppe könnte z.B. Bushido selbst gehören, @unreality umgehend aufspüren und übelst töten. In dieser Gefahrensuche liegt denn auch die Pointe des Tweets.

Hashtags dienen dazu, einen Tweet mit Metadaten auszuzeichen:

  • Tags wie #followerpower oder #korrekturtweet kennzeichnen Tweets mit spezieller Funktion. Oft wird dieser Typ Tag voran- statt hintangestellt.
  • Spezielle Tags kontrollieren das Verhalten externer Tools, z.B. lässt #fb die App Selective Tweets den Tweet nach Facebook kopieren.

Gruppierende und kommentierende Funktionen überschneiden sich, wenn ein Thema durch Schaffung eines nicht mehr ganz so neutral-deskriptiven Hashtags in den Status einen Twittermems erhoben wird, was andere Twitterinnen und Twitterer mit ähnlicher Sichtweise dazu einlädt, dieser Sichtweise verstärkt mit solcherart getaggten Tweets Ausdruck zu verleihen. So muss es bei der Schaffung des Hashtags #guttengate und anderer #-gates zugegangen sein.

Dieser Blogpost entstand im Rahmen des Versuchs, eine Antwort auf Kristin Kopfs Frage zu finden, inwiefern die oft ironische Bildung von solchen -gate-Wörtern im Zusammenhang mit ihrem Hashtagtum zu sehen ist. Hinsichtlich dieser Frage ist abgesehen von den vage in die Richtung gehenden Überlegungen im letzten Absatz nichts herausgekommen, dafür aber eine kleine Taxonomie.

Darf man Facebook regulieren?

Julia Schramm von der datenschutzkritischen Spackeria und Konstantin von Notz von den Grünen sprechen in diesem Podcast über Datenschutz. Sie sind sich einig: Die deutschen Datenschutzgesetze müssen grundlegend überarbeitet werden, um der durch PCs, Smartphones und das Internet veränderten Realität gerecht zu werden.

Ein weiteres Schwerpunktthema ihres Gesprächs ist: Soll/darf der deutsche Staat Facebook stärker regulieren? So geil und lustig ich Datenschutzkritik auch finde, meiner Meinung nach wäre das nicht verwerflich und sogar stark von Facebook provoziert. Die elegantere Lösung fände ich jedoch, staatlicherseits einfach einen Batzen Geld in den Betrieb und das Promoten von Diaspora-Servern zu investieren, damit man mal eine echte, ISB-technisch weniger bedenkliche Alternative hätte.

Tags Suck

I feel a little schadenfreude about the potential demise of Delicious. Not for popularizing social bookmarking, I like that a lot. What I resent them for is popularizing tags. Tags since infest services like Flickr, many blogs and Mendeley. If you listen to their advocates, you will be told that tags are one of the cornerstones of the Web 2.0, and even more so of the coming Web 3.0. To me, it seems that tags are an essentially useless technology that has somehow managed to become a remarkably long-living fad.

Sure, you can tag things (webpages, videos, books, research papers…) with keywords descriptive of their content. That is a 20th century librarian’s approach to making sure stuff can be easily retrieved. We live in the age of fulltext search, machine translation and the AwesomeBar (I myself stopped using Delicious the very moment Firefox 3 came out), at the dawn of semantic search and object-class detection in images. A Web service that relies on users sitting down and tagging stuff must be failing to use and further develop this technological potential.

So as long as you just want to retrieve stuff from a big bag of documents, search is your friend and tagging is slave labor. But what, the song of praise for tags goes on, if you want to order things, to structure them, to gain a deeper understanding of their relations and to improve your overview over the knowledge they represent? For this purpose, I hear, 20th century people used folders and put everything into a tree structure. The 21st century digital native social media Übermensch, on the other hand, uses tags. The obvious reason is that folders are so one-dimensional and rigid and you can classify things by only one dimension (or you have to first classify them by what to classify them by). Ordering schemes for pre-enlightened world views, those trees! The earth is a disc and built around heavenly Jerusalem, and everything has its one place and purpose, that’s the kind of insight that fits in folders, isn’t it?

I beg to differ. The “ordering schemes” you get by tagging stuff are aptly depicted by one of the most popular visualizations for tags: a cloud. A vapor. Nothing the human mind can really make sense of. Nothing that represents relations or insights. The only structured views on this cloud are filters, showing all items bearing a certain tag or combination of tags. Lists which are in no visible relation to each other. Venn bubbles bubbling around in the cloud. An excessively primitive database that does little more than a search engine but involves a hell of a lot more tedious human work. Concerning the collective knowledge aspect of this work, here’s what: in the time it would take you to tag a collection of bookmarks concerning a topic, rather write a blog article or a new paragraph for a Wikipedia article and let Google’s algorithms do the keyword extraction part for you. I’m sure you’re doing humanity a greater favor this way.

What you get by carefully organizing things into a tree structure, on the other hand, really is an ordering scheme. In the process, you weigh dimensions, you pick one as the one to order by, and discard other dimensions that are less useful for organizing your knowledge, honoring the fact that unlearning is an important part of learning. You think hard about things in order to find the best ordering scheme. Often you will find that there is no single dimension by which all things can usefully be ordered, and you will split them up into collections in each of which a different dimension is more relevant. These splits will likely be driven by your needs for your current project, and your information bookkeeping becomes goal-oriented. And isn’t this what dealing with the stuff and organizing it is all about: learning something from it so you can do something with it? And with the way the human mind works, I claim boldly, you haven’t really “got” something (information doesn’t turn into knowledge) until you have succeeded in putting it into a tree shape. Folders rock.

Like/Gefällt mir/Мне нравится

In a recent blog post, Geoffrey K. Pullum writes:

Twitter merely coined a verb meaning “send a message via Twitter”, but they didn’t specify what linguists call its subcategorization possibilities. They added the verb to the dictionary, but they didn’t specify its grammar. The verb tweet is gradually developing its own syntax according to what it means and what its users regard as its combinatory possibilities. That is a really interesting, though unintended, large-scale natural experiment in how syntactic change works. And it is running right now, every minute of every day.

If Facebook has, similarly to Twitter, coined a new verb, it’s probably like. Sure, that word existed before, but the way it’s employed on Facebook, it has developed an altogether new meaning. When you “Like” something on Facebook – i.e. you click the “Like” button – you thereby do not “like” it in the old sense – rather, you already liked it before and you now announce this to your friends. In the old sense of the verb, you are the experiencer of an affection. In the new sense, you are an agent, a deliberate performer of an action. The subject of the verb has a different thematic role in each case.

In the German translation of Facebook, the verb gefallen was chosen to translate like. This captures the old sense of like very well, much better than the perhaps more direct translation mögen. On the other hand, gefallen is having difficulties assuming the new sense, that of clicking a button to display one’s approval or enjoyment of something.

I think this is because gefallen assigns the experiencer role to its (dative) object rather than to its subject. For illustration, consider the English verb strike which does the same thing in sentences like “It strikes me that you are losing weight”: the verb is used to describe a situation where somebody experiences something, e.g. the striking perception that another person is losing weight, and the experiencer is described by the object of the sentence, e.g. me. Like is different; here, the experiencer is described by the subject of the sentence. Thus, when translating English like to German gefallen, the syntactic arguments need to be swapped: “I like this” becomes not “Ich gefalle das”, but “Das gefällt mir.”

Why does this prevent gefallen from assuming the new sense of its English counterpart like? Couldn’t “I recently liked that park on Facebook” analoguously translate to “Dieser Park hat mir neulich auf Facebook gefallen”? This sounds very weird to me, and I think the reason is a restriction on the mapping between thematic roles and syntactic arguments. Remember that the syntactic argument that was assigned the experiencer role in the old sense is assigned the agent role in the new sense. And to my knowledge, agent roles are only assigned to subjects in German (and also in English).1

If this were to change by gefallen acquiring a new sense where the dative object fills an agent role, this would pose many syntactic problems. How would you translate “Like this on Facebook!” or “I decided to like the park on Facebook” to German? Imperatives are always addressed to the (invisible) subject, and control always identifies the (invisible) subject of the embedded clause (“to like this park on Facebook”) with the subject or object of the embedding clause (“I decided”). One could construct “Der Park hat sich entschieden, mir auf Facebook zu gefallen”, but that would mean the park decided, not I.

So how do German speakers deal with the challenges posed by grammatically strenuous gefallen being the official translation of Facebook’s ubiquitous like?

First of all, as Facebook’s UI itself is concerned, “Like” and “Unlike” are translated quite freely with “Gefällt mir” (“I like”) and “Gefällt mir nicht mehr” (“I don’t like anymore”). This avoids using a new sense of the verb and rephrases things to use the old sense, by allowing the user to describe herself as an experiencer rather than explicitly offer her the possibility to become an agent. The description does not match reality perfectly, of course, for when I unlike something, that does not imply I don’t like it anymore, it just means I no longer want to commit to that on my Facebook profile.

In status updates about liking pages or links, the issue does not arise, as the English original itself talks about liking in the old sense, as an affectional state rather than an action. After all, it says “Peter Schwarz likes Conny Fuchs’s link”, not “Peter Schwarz liked Conny Fuchs’s link.” Interestingly, the relatively free word order of German makes it possible to keep the structure of such messages using gefällt, putting the dative object before the verb: “Peter Schwarz gefällt Conny Fuchs’ Link.”

Before the verb is even the preferred position for the experiencer in most contexts. Nevertheless, the prototypical main clause word order in German still starts with the subject. And person names are not marked for dative case.2 So the above could also be read with Peter Schwarz as the subject and Conny Fuchs’s link as the object. When Facebook’s “Gefällt mir” button started becoming ubiquitous on the German-speaking Internet, I actually expected people to start using gefallen exactly like like in the new sense, with an agent subject and a theme accusative object. It is not unusual for German verbs to assume semantic and syntactic argument structures from English counterparts, which is then bemoaned as an Anglicism once it has irreversibly settled in. An example is the verb erinnern (remember). The standard way to say “I remember this” in German is “Ich erinnere mich daran”, with an accusative reflexive pronoun and a prepositional object. However, recently “Ich erinnere das”, with the same structure as in English, is also frequently heard. Or maybe this non-standard usage has been around forever and I’m just interpreting it as a new Anglicism. (See johannes’s comment below.) To come back to my point, no, I haven’t seen or heard gefallen used with the argument structure of like yet. The new sense of like doesn’t seem to have a lexical counterpart in German yet.

Instead, gefallen is used with a slightly different sense in the context of Facebook – “Mir gefällt das” not meaning that I like it but that I made liking it part of my Facebook profile – but with the same argument structure (experiencer subject, theme dative object, no agent), still describing a state, not an action. As long as the context does not absolutely require an agent, gefallen in this sense is used rather consistently, as some of tonight’s first Google hits for „auf facebook gefallen“ show:

  • Wenn dir beispielsweise etwas wie ein Buch, ein Film oder jemand wie ein Sportler gefällt, wird diese Verbindung genauso Teil deines Profils wie dies der Fall ist, wenn dir Seiten auf Facebook gefallen. (Facebook Help Center)
  • High Live  würde sich freuen, wenn noch mehr Leuten „High Live“ auf Facebook „gefallen“ würde… (High Live’s page)
  • Die Seiten oder Produkte, die Mitgliedern auf Facebook gefallen, generieren automatisch entsprechende Vorschläge auf Amazon. (Social Media Pro)
  • Wir haben für euch auf Facebook eine einige Seiten erstellt, die für Spieler gedacht sind, denen unsere Seiten zu Blizzard, Diablo, StarCraft und Warcraft auf Facebook gefallen. (BlizzCon 2010)

There are some bewitchingly creative variations:

  • Gaggle ist auf diversen Plattformen präsent, über YouTube gibt es Gaggle-Videos, über Facebook werden neueste Nachrichten aus dem Gaggle-Kosmos ausgetauscht, 1253 Personen gefällt das. (Die Zeit)
  • 313’000 Personen finden auf Facebook gefallen an Swarovski. (fuellhaas.com)

And the ultimate solution to the problem that the one who clicks “Like” is not a subject in such constructions has been found by YouTube user Clixoom. He uses a “causative” construction with lassen, enabling him to use gefallen in an imperative statement:

  • lasst euch Clixoom auf FACEBOOK „gefallen“

This is also a creative new use of the phrase “sich etwas gefallen lassen”. The above invitation to like Clixoom on Facebook can also be read as a self-mocking invitation to put up with Clixoom on Facebook.

1 If you don’t count “logical subject” phrases in passive as objects of the verb, which you shouldn’t.

2 In Russian they are, and Facebook doesn’t seem to know how to do that yet even for Russian names written in Cyrillic, which is kind of lame and leads to lots of grammatically incorrect status updates, since the Russian like, нравиться, works pretty much exactly like gefallen.

My Favorite Language Resources on the Web

  • LEO is the online dictionary for native speakers of German. It has English, French, Mandarin Chinese, Italian, Spanish and Russian. I use it for the first three. LEO is very basic, it just gives you a list of all translations for a word or phrase with no ranking and very little information about usage and context. But the lists are often quite complete, it’s fast and there is also a message board that sometimes has useful additional translations and usage information. Here, as with everything on the Internet, using one’s brain while looking things up is important (as opposed to trusting the next best piece of information blindly).
  • Recently, I have frequently found English words on dict.cc which were missing from LEO.
  • The English Wiktionary has vast amounts of information on Chinese characters and their usage in Mandarin Chinese.
  • A third source for Chinese is Arch Chinese, which I use mainly for stroke orders, and sometimes for decomposition into radicals. The latter is done great here in principle, but alas, it’s quite incomplete.
  • Linguee is a new and hot thing with clever use of language technology. You can search English/German parallel corpora and see how others have solved the problem of translating XYZ. Now also available for English/Spanish, English/French and English/Portuguese.
  • If you already have an idea of how to put something and want to check it against text written by others,  or when you just want to get an idea of how a word is used, Google is a classic of course. With some (especially rare) words, the 1,000,000,000 dictionary sites out there tend to get in the way though and clutter up the first few results pages – when what you want is precisely not a dictionary, but unedited real-life usage. For that purpose, I have defined the Serchilo command “Google as a concordancer”, which filters out all dictionary sites I have discovered so far. Even if you are not yet using Serchilo as your default “search engine” (which you should), you can use the command by typing serchilo.net/cong yourword in your browser’s address bar.
  • As a grammar geek, I love the Logos Universal Conjugator, a vast archive of verb inflection tables in many languages. I mainly use it for French and Latin, when I need a more outlandish form of an irregular verb (or of a regular verb, for that matter) that I never bothered to remember thoroughly.

Dear readers, what are your favorite online tools for mastering foreign tongues?

Generationenkonflikt

So mancher, der in eine Ära materiellen Wohlstands hineingeboren wurde, hat sich über die Alten gewundert, die im Krieg jung gewesen waren und nun Zeit ihres Lebens fettem und reichlichem Essen zusprachen, als gölte es Kalorien für die nächste Hungersnot zu horten. Meine Generation hierzulande heutzutage wächst in einer Ära auf, in der nicht nur Essen, sondern auch Information im Überfluss vorhanden ist. Ich bemerke vereinzelt, wie mir das Horten von Büchern und Dokumenten, wie ich es in der Generation meiner Eltern sehen kann, fremd ist. „Sohn, handle klug und vorausschauend! Wenn du in einem halben Jahr jederzeit in der Lage sein möchtest, etwas mit F nachzuschlagen, dann sieh zu, dass du jetzt eine Enzyklopädie abonnierst, die bis dahin zu dem Buchstaben vorgedrungen ist!“ – „Ach, Papa, wenn ich dann was nachschlagen muss, gucke ich einfach im Internet.“ Wenn man eine ganz steile These draus drechseln möchte, kann man sagen, dass das Internet beim Übergang von einer Haben-Gesellschaft zu einer Seins-Gesellschaft helfen kann. Der Kampfbegriff Internet-Ausdrucker wird hauptsächlich gegen Leute gerichtet, die das Internet nicht verstehen, aber trotzdem darüber bestimmen wollen. Er drückt aber meiner Empfindung nach auch die Verachtung über eine obsolete Geisteshaltung aus, nach der sich Information besitzen lässt und gierig gehortet werden sollte. Anstatt dass man ihr einfach freien Fluss ermöglicht und sich darauf verlässt, dass man online finden wird, was man braucht, wenn man es braucht, wie die Luft zum Atmen.

Netzneutralität – keine Selbstverständlichkeit

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Noch vor Kurzem kämpfte die internetaffine Gemeinde in Deutschland erbittert gegen ein Gesetz, das Internetzugangsanbietern (ISPs) ein Stück weit vorschreiben sollte, wie sie ihren Job zu machen haben: das Zugangserschwerungsgesetz, ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit, schlecht mit dem Banner des Kampfes gegen Kinderpornografie bemäntelt, getragen auf den Flügeln stumpfsinnigsten Aktionismus. Leider hat man damals auch immer wieder die pauschale Forderung gehört, der Staat habe sich gefälligst aus dem Internet herauszuhalten, es regele sich besser selbst. Solche Forderungen waren nicht nur wohlfeile Munition für – ich überspitze – böswillige Internetausdrucker etwa bei Zeit und bei Emma, sie stellen sich jetzt auch als Bumerang heraus.

Denn dieser Tage kämpft die internetaffine Gemeinde in Deutschland erbittert für ein Gesetz, das ISPs ein Stück weit vorschreiben soll, wie sie ihren Job zu machen haben: eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Netzneutralität ist bisher schlicht deswegen gegeben, weil bis vor Kurzem noch kein ISP auf die Idee gekommen war, es anders zu machen. Diesmal setzen wir uns also nicht gegen ein Gesetzesvorhaben zur Wehr, sondern wir fordern eins ein. Diese Erkenntnis ist wichtig für den Feinschliff unserer Argumente. Bei einigen der werten internetaffinen Mitstreiter scheint sie noch nicht angekommen zu sein. Ich greife wahllos den Kommentar von Mitzeichner 3083, Torsten Bolz, heraus:

Es ist wirklich ärgerlich, sich für Selbstverständlichkeiten einsetzen zu müssen.

Nein, eine Selbstverständlichkeit ist die Netzneutralität eben nicht. Sie ist bisher nichts gesetzlich Garantiertes, sondern etwas historisch Gewachsenes. Meiner Ansicht nach ist sie aber eine obzwar eher zufällige, so doch große Errungenschaft für die Demokratie: Alle können Sender sein, und alle senden gleichberechtigt. Diese Errungenschaft zu verlieren fände ich äußerst schmerzhaft, vor allem angesichts drohender Oligopolisierung von Nachrichten-, Meinungs- und Wissensangeboten. Deswegen finde ich es nötig, die Netzneutralität durch ein Gesetz zu schützen. Denn wäre es nicht nötig, ein solches Gesetz zu machen, wäre es nötig, kein Gesetz zu machen.

Ich habe die Erklärung der Initiative Pro Netzneutralität! also mitunterzeichnet, obwohl ausgerechnet der erste Satz völlig verunglückt ist:

Ein freies Internet ohne staatliche oder wirtschaftliche Eingriffe ist Garant für freien Meinungsaustausch weltweit und damit die direkte Ableitung des Rechts auf Meinungsfreiheit.

Das ist gleich dreifach Quatsch: Einen staatlichen Eingriff fordern wir ja gerade und wirtschaftliche Eingriffe sind die Voraussetzung dafür, dass es das Internet (jenseits seiner akademischen Ursprünge) überhaupt gibt. Es kömmt auf die Art dieser Eingriffe an. Ein Garant für freien Meinungsaustausch weltweit ist die Netzneutralität noch lange nicht, gemeint ist wohl „Voraussetzung“, und selbst das scheint mir übertrieben. Und aus dem Recht auf Meinungsfreiheit lässt sie sich nicht ableiten, schon gar nicht direkt. Nicht alles, was gut ist, ist ein Menschenrecht. Muss man immer gleich so maßlos übertreiben und bullshitten, wenn man irgendetwas durchkriegen will? Vielleicht schon.

Kinder, vertragt euch!

„Kinder, vertragt euch!“ Mit diesem Gestus wendet sich Jens Jessen in der aktuellen Zeit unter der Überschrift Das Netz gehört uns an „Digital natives“, „Digital residents“ oder „Internetenthusiasten“ auf der einen sowie „Digital immigrants“, „Digital visitors“ oder „Internetkritiker“ auf der anderen Seite. Er mag dabei nicht so recht zugeben, dass es diese beiden Lager gibt. Ich denke schon, dass es sie gibt, man sieht das doch an den politischen Konflikten, die immer häufiger zwischen ihnen auftreten, bei Themen wie Netzsperren, Leistungsschutzrecht oder Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Jessen jedenfalls meint, beide Seiten müssten nur ein paar falsche Vorstellungen aufgeben, dann würde man sich ganz schnell wieder vertragen.

Dabei stilisiert er uns Internet-„Einheimische“ zu dem uralten Klischee von unverbesserlichen Anarchisten, die wollen, dass im Netz überhaupt keine Gesetze gelten. Die das Netz zum – jetzt kommt der zum unerträglichen idiotischen Kampfausdruck verkommene Begriff – „rechtsfreien Raum“ erklären wollen. So lautet sein erster Appell:

Ein Minimum an Rechtsschutz, wie er sonst von Staaten seinen Bürgern garantiert wird, muss auch im Internet geboten werden. Wenn man sich darauf einigen könnte, und das heißt auch darauf, dass geistiges Eigentum nicht beliebigem Diebstahl ausgesetzt wird, wären viele Streitpunkte zwischen Einheimischen und Einwanderern beseitigt (die sich verständlicherweise um ihr Gepäck sorgen).

Wenn man sich darauf einigen könnte? Dass Gesetze auch im Netz gelten, darüber besteht längst Einigkeit. Dass irgendjemand ernsthaft die politische Forderung erheben würde, im Netz ungestört Kinderpornos gucken, zu Gewalttaten aufrufen, Verleumdungskampagnen durchführen und das Urheberrecht brechen zu dürfen, ist eine völlig absurde Vorstellung. Zum Beispiel das Urheberrecht wird stark respektiert in der digitalen Kultur, wie z.B. die Richtlinien der Wikipedia oder der De-Facto-Standard für ausdrückliches Erlauben, Creative Commons, zeigen.

Aber wir wehren uns, wenn neue Gesetze gefordert werden, die die internetbezogenen Probleme einzelner Lobbygruppen auf Staat, Gesellschaft und Internetprovider abwälzen (ACTA, Leistungsschutzrecht) oder für ein wenig hohle Symbolpolitik Freiheit und Demokratie empfindlich einschränken wollen (Netzsperren). So wie es Bürger/innen in einer Demokratie halt machen, wenn Dinge, die ihnen wichtig sind, zur Zielscheibe lobbyistischer oder populistischer Attacken werden.

Das sind nämlich die interessanten Konfliktlinien zwischen „Einheimischen“ und „Einwanderern“ des Netzes. Jessen lässt sie unerwähnt, deutet sie allenfalls an. Sein zweiter Appell:

Und zweitens, damit zusammenhängend, müsste akzeptiert werden, dass Informations- und Gedankenware höherer Qualität auch im Netz nicht umsonst zu haben sein kann. (…) Namentlich der Streit um die Dignität journalistischer Angebote im Netz würde erlöschen, wenn man neben dem Gratissektor ungeprüfter Qualität (…) auch einen honorarpflichtigen Sektor kontrollierter Nachrichtengüte etablieren könnte. Und wunderbarerweise (…) hinge ein solches Angebot ganz allein von der Zahlungsbereitschaft der heute noch missvergnügten Internetkritiker ab.

Dieser Schwadronade kann ich nicht folgen. Mangelnde Zahlungsbereitschaft bei den Internetkritikern ist wohl kaum das Problem, sondern die bisherige Unfähigkeit der Medien, Angebote zu schaffen, die Internetznutzer/innen Geld wert sind. Eine Frage von Angebot und Nachfrage, die erst da zum politischen Streitpunkt wird, wo Medienvertreter unverhältnismäßige politische Maßnahmen zur Sicherung ihrer Pfründe fordern (Leistungsschutzrecht).

Indem er die wesentlichen Konflikte unter den Tisch fallen lässt, schafft Jessen es, so zu tun, als gäbe es nur ein paar Dickschädel, die zur Einsicht kommen müssten, und zwar bei „Einheimischen“ wie „Einwanderern“ gleichermaßen. Ich halte dagegen: Wir „Einheimischen“ haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir wollen gerade keine regellose Netzparallelgesellschaft, sondern fordern die Einhaltung demokratischer Grundwerte in der digitalen wie in der analogen Welt. Es ist das Lager der „Einwanderer“, aus dem immer wieder netzbezogener Lobbyismus, Populismus und Maßlosigkeiten kommen, die, wenn man sie nicht verhindert, einzelnen kurzfristig nützen und langfristig allen schaden.

Microblogging

Ein wiederkehrendes Thema in meinem Geistesleben ist die universelle Ausdrucksmächtigkeit der Sprache unabhängig von formalen Bedingungen.

Dazu zählt die von mir ziemlich stark verinnerlichte radikale Gegenthese zur Sapir-Whorf-Hypothese. Sie (also die Gegenthese) besagt, dass alle Inhalte, die in menschlicher Sprache ausgedrückt werden können, in jeder menschlichen Sprache ausgedrückt werden können, und zwar – modulo eventueller Erweiterung um das jeweilige Fachvokabular – gleich gut, gleich elegant, gleich verständlich, gleich schön etc. Eine Sprache zu entwickeln zähle zu den biologischen Eigenschaften des homo sapiens, keine Sprache sei für eine bestimmte Kultur „gemacht“, Wechselwirkungen zwischen Sprache und Kultur seien natürlich vorhanden, aber schwach, oberflächlich und von keiner Bedeutung für die Ausdrucksmächtigkeit der Sprache.

Unausgesprochene Grundannahme so einer These ist, dass sprachliche Äußerungen so etwas wie einen „Inhalt“ haben, der von der „Form“ isoliert werden könne. Diese Isolierung philosophisch oder gar formal-linguistisch präzise zu fassen ist ein hoch komplexes, odysseskes, wenn nicht sogar quijotäres Unterfangen, aber eine intuitive Vorstellung von so einer Trennung zwischen Form und Inhalt haben wohl die meisten Menschen.

Neben der Frage, ob alle natürlichen Sprachen (und Dialekte) gleich ausdrucksmächtig sind, kann man sich die Frage stellen, welche literarischen Varietäten einer Sprache für eine Autorin und ihre Leserinnen die gleichen Funktionen erfüllen können, spezifischer: unter welchen formalen Beschränkungen ein Text bestimmte Funktionen noch genau so gut erfüllen kann wie ohne sie. Formale Beschränkungen gibt es zuhauf: Textlänge, verständliches Schreiben, Schreiben in einem bestimmten Stil, Schreiben nur im Präsens, Unzulässigkeit des Anpassens von Flexionsendungen in Zitaten an den eigenen syntaktischen Kontext, Text muss genau sechs Wörter haben, Text muss in Palindromform sein, Text muss ein gültiges Perl-Programm und überdies ein Quine sein, Text darf kein E enthalten… man könnte sich hinstellen und sagen: So verrückten Beschränkungen ein Text auch unterworfen sein mag, eine gut genuge Autorin wird auf anderen Ebenen so geschickt sein, dass sie inhaltlich genau dasselbe rüberbringen kann wie ohne sie. In der Literatur als Kunstform, die vom Wechselspiel, der Untrennbarkeit von Form und Inhalt besonders stark lebt, natürlich eine verwegene Behauptung.

Aber Leute haben es ausprobiert, haben experimentiert, haben Literatenzirkel zum Erfinden neuer formaler Beschränkungen und Verfassen von Literatur darunter gegründet (Oulipo). Georges Perec hat auf Französisch einen Mystery-Roman ohne ein einziges E geschrieben. Dass dessen Hauptperson nicht Grégoire Clément heißt, kann man sich denken. Abgesehen von solchen Oberflächlichkeiten fragt sich die Leserin: Wie viel von der Handlung, von der Ausgestaltung ist ein Zugeständnis an die E-Beschränkung? Hätte Perec in groben Zügen denselben Roman geschrieben ohne die Beschränkung?

Abgesehen von metaliterarischen Wonnen haben formale Beschränkungen den Vorteil, dass der Autorin Entscheidungen abgenommen werden und sie sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Auf den Inhalt. Auf die Originalität. Auf die Schönheit. Im Korsett einer formalen Beschränkung kommen Autorin und Leserin dem Gefühl viel leichter viel näher, dass alles Menschenmögliche getan wurde, um einen Text so gut wie möglich zu machen.

Wie zum Beispiel die berühmteste formale Beschränkung des letzten Jahres: Nur 140 Zeichen pro Text. Der Text wird dann Tweet genannt, das Verfassen und Veröffentlichen solcher Texte im Internet twittern oder microbloggen. Die Website Twitter macht so gut wie nichts anderes, als ihren Benutzerinnen das Veröffentlichen von bis zu 140 Zeichen langen Texten zu ermöglichen und miteinander in ein gerichtetes soziales Netzwerk einzutreten, das bestimmt, wem wessen Tweets gezeigt werden. Mit diesem ultrasimplen System ist das Microbloggen in kurzer Zeit waaahnsinnig beliebt geworden.

Ich kann das mittlerweile gut verstehen. Freilich, eine klassischer Bloggerin darf beim Schreiben ganz frei entscheiden, wann sie aufhört. Aber sie muss es eben auch. Sie muss inhaltlichen Umfang, Textdichte und ihren Wunsch, eine bestimmte Anzahl von Leserinnen bis zum Ende durchhalten zu lassen, austarieren. Bei Twitter dagegen gibt es einen Zeichenzähler, der eine realistische Normleserinaufmerksamkeitsspanne simuliert. Wenn er rot und negativ wird, ist das eine klare Ansage: Jetzt ist Kürzen angesagt und ggf. Auslagerung des nächsten Gedankens in einen eigenen Tweet.

Es ist auch eine große Wohltat, dass Twitter technisch minimalistisch ist und einen nicht mit allen möglichen Zusatzfunktionen zuballert wie ein klassisches Blogsystem. Wer Zusatzfunktionen will, muss ein ganz klein wenig zur Programmiererin werden. Die Twittergemeinde schafft sich ihre Werkzeuge selbst, hier kann man Kulturevolution im Fruchtfliegentempo beobachten. Tweets kategorisieren? #Raute vor ein Wort im Text. Benutzerin verlinken? @ vor den Namen. Lange Sätze posten? Abk. verw., notf. exz. Link mit langem URL posten? Bemühe einen Adresskürzdienst. Die Adresskürzdienste, deren einzige Daseinsberechtigung ursprünglich so weit ich weiß in den Unzulänglichkeiten bestimmter E-Mail-Programme bestand, haben durch Twitter eine Blütezeit sondergleichen erfahren. Jede bessere Website rollt ihren eigenen, ich persönlich mag aber u.nu am liebsten, weil der die URLs wirklich so kurz wie technisch möglich macht, das auf wunderbar bogus-informationstheoretische Weise erklärt und einmal klanglich sehr gut zu einem meiner Tweets passte. Natürlich wandern auch andere technische Krücken sofort in das literarische Gerätearsenal, so werden Hashtags längst nicht mehr nur zur Kategorisierung verwendet, sondern auch, um nachgeschickte Einwortkommentare formal dem Genre entsprechen zu lassen, es vielleicht zu parodieren.

Gelegentlich weiß ich auch das Opulente zu schätzen, aber insgesamt bin ich ein großer Freund der reduzierten Form, das heißt in der Literatur der kurzen Form. Zugespitzt: Ja zu Gedichten, Szenen, Kurzgeschichten und Aphorismen, nein zu Gesängen, Dramen, Romanen und Essays. Dieser Appeal des Kurzen hat auch seine problematischen Seiten. Es liegt in meinem Wesen, alles zergliedern zu wollen, die Dinge einzeln abzuspeichern wie Schmetterlinge hinter Glas, zu atomisieren. Mit dem Erkennen und Spannen großer Bögen tu ich mich schwer.

Twitteratur kommt meinen so hübschen wie zweifelhaften Vorlieben daher entgegen. Gab es das eigentlich vor Twitter, dass etwas unter 141 Zeichen als eigenständiger literarischer Text gelten konnte? Es wurde versucht, aber meines Wissens nie die perfekte Form dafür gefunden. So etwas wie einen Aphorismus, ein Wortspiel (in Form eines Minimalbeispielsatzes) oder ein Ultrakurzgedicht auf eine Buchseite zu packen und sie ansonsten weiß zu lassen, wirkt prätenziös. Aphorismensammlungen wirken staubig und stickig. Listen finde ich okay, aber erst ab einer gewissen Länge, die Sofortveröffentlichung jeder neuen Schöpfung ausschließt. Blogeinträge leiden darunter, eine Überschrift haben zu wollen, die dann in den meisten Blogdesigns mehr Bildschirmfläche bedeckt als der Text – und überhaupt, bei Kurztexten wirken Überschriften eher störend, sie müssen unter Verrenkungen dazuerfunden werden.

Twitter hat das Layoutproblem gut gelöst; der jeweils neueste Tweet auf einer Mitgliedsseite erscheint in großer Serifenschrift, der Rest in normalgroßer serifenlosen. Entscheidend finde ich, wie Twitter als Literaturplattform das Prätenziositätsproblem löst: dadurch, dass es nicht nur eine Literaturplattform ist, sondern vor allem eine Kommunikations- (banale Statusmeldungen) und Nachrichtenverteilungsplattform (Schlagzeile + Link). Die Grenze zwischen banalen Tweets und denen, denen ich literarischen Wert würde zusprechen wollen, ist fließend. Die Technik macht auch da keinen Unterschied: Jeder Tweet kriegt seinen URL und seine Zeitleistenposition. Die ideale Mischung aus Normalität und Präsentierteller. Die Perlen glitzern zwischen den Kieselsteinen und das Glitzern liegt im Auge des Betrachters.