Der Tod und die Autobahn

Auf der A3 bei Bad Camberg fiel mir gestern mal wieder auf, wie gut sich Schnellstraßen als Symbole für Lebensfeindlichkeit, Tod und Endzeit eignen. Drei Kunstwerke kamen mir in den Sinn, die diese Symbolik enthalten.

Zumindest wurde mir endzeitlich zumute, als ich zum ersten Mal den Raum im Düsseldorfer Kunstmuseum K21 betrat, der Reinhard Muchas Installation Deutschlandgerät enthält. Weit ergreifender als die formstrenge Anordnung von Vitrinen fand ich die Klangkulisse von seelenlos vorbeirauschenden Autos und das regelmäßige Donnern der Schwellen, über die sie fahren. Als Betrachter des Objekts ununterbrochen diesem Geräusch ausgesetzt, erinnerte ich mich an einen Zeitungsbericht, den ich einige Jahre vorher gelesen hatte: Ein Mädchen war entführt und für einige Tage in einem Hohlraum eingesperrt worden, der zu einer Autobahnbrücke o.Ä. gehörte. Beklemmend, zu versuchen, sich eine solche seelische und akustische Tortur vorzustellen.

Akustisch schlug auch DrNI mich in den Bann, als er 2012 eine einen meditativen Sog entfaltende Klangcollage veröffentlichte, auf der anfängliches Bachgeplätscher, Wipfelgerausche und Vogelgezwitscher allmählich von ebenjenem Sound einer Schnellstraße verdrängt wird. Es fühlt sich an wie der Übergang von einem unschuldigen Naturzustand in die menschengemachte Apokalypse, wo menschliches Leben hinter Blech verborgen ist und tierisches Leben oft bald zwischen Gummi und Asphalt endet. Passend dazu heißt das Werk: Death Zone.

In Jasper Ffordes Roman Something Rotten schließlich kommt das Tor zum Jenseits in Form einer doppelten englischen Autobahnraststätte vor, deren Hälften über eine Fußgängerbrücke miteinander verbunden sind. Die armen Seelen wechseln auf die andere Seite, nicht ahnend, dass es nicht einfach die andere Seite der Autobahn ist, sondern das Reich der Toten, in das sie hinübergehen. Der Szenenkommentar des Autors fängt den morbiden Schauer schön ein, den Autobahnen auch im wirklichen Leben auslösen können:

If you were misfortunate enough to have lived through the time when British motorway services really did resemble a gateway for the dead, then this chapter might have some resonance. I remember exploring at the tender age of eight the mysteries of the ‚Northside‘, walking over the connecting bridge as the juggernauts shook the bridge as they swept on beneath, taking shoes to Northampton or something.

4 Gedanken zu „Der Tod und die Autobahn

  1. David

    Am endzeitlichsten (Assoziation mit dem Tod fehlt dabei aber, jedenfalls in der im Beitrag gemeinten Form) finde ich allerdings die Vorstellung einer völlig leeren Autobahn in der gleißenden Mittagssonne. Wieder einmal reicht mir schon die bildliche Vorstellung, um mich wie der einsame Radwanderer in Arno Schmidts „Schwarze Spiegel“ zu fühlen (obwohl es da nicht mal Autobahnen vorkommen). Das Bild spielt, auch eine prominente Rolle in Tyler Durdens Zukunftsvision in „Fight Club“:

    „Imagine,“ Tyler said, „stalking elk past department store windows and stinking racks of beautiful rotting dresses and tuxedos on hangers; you’ll wear leather clothes that will last you the rest of your life, and you’ll climb the wristthick kudzu vines that wrap the Sears Tower. Jack and the beanstalk, you’ll climb up through the dripping forest canopy and the air will be so clean you’ll see tiny figures pounding corn and laying strips ofvenison to dry in the empty car pool lane of an abandoned superhighway stretching eight-lanes-wide and August-hot for a thousand miles.“

    (Keine genaue Quellenangabe mangels Zitierfähigkeit der gerade benutzten Ausgabe. Aber wohl 13. Kapitel.)

  2. Kilian Evang Beitragsautor

    Am endzeitlichsten (Assoziation mit dem Tod fehlt dabei aber, jedenfalls in der im Beitrag gemeinten Form) finde ich allerdings die Vorstellung einer völlig leeren Autobahn in der gleißenden Mittagssonne. Wieder einmal reicht mir schon die bildliche Vorstellung, um mich wie der einsame Radwanderer in Arno Schmidts “Schwarze Spiegel” zu fühlen (obwohl es da nicht mal Autobahnen vorkommen). Das Bild spielt, auch eine prominente Rolle in Tyler Durdens Zukunftsvision in “Fight Club”:

    Ja, das hat auch was. Das hat sehr viel. Sehr schön!

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