Lieber @Frachtschaden,
du schreibst von zwei Sätzen, die anscheinend verschiedene Bedeutungen haben, obwohl sie genau die gleichen Satzglieder haben (Prädikat wohnen, Subjekt Könige, Präpositionalobjekt in Palästen):
(A) Könige wohnen in Palästen
(B) In Palästen wohnen Könige
Es gibt für beide Sätze einige mögliche Lesarten. In den Lesarten, auf die du dich beziehst, sind die Sätze generische Sätze, die die Funktion von partiellen Definitionen haben (Krifka), also für eine Klasse von Dingen eine allgemeine Aussage trifft. Die beiden Lesarten, formal aufgeschrieben, sind damit:
(1) ∀x.(könig(x) → wohnt_in_palast(x))
(2) ∀x.(palast(x) → könig_wohnt_in(x))
Nun gilt laut Krifka (und ich meine, er hat Recht) für generische Sätze im Deutschen die Beschränkung, dass das Definiendum durch das Topik des Satzes ausgedrückt werden muss und das Definiens durch den Fokus.
Ferner gilt, wenn ich nicht irre, dass Satzglieder, die zum Fokus eines Satzes gehören, nur dann im Vorfeld stehen können, wenn sie einen Kontrastakzent tragen. Von einem Kontrastakzent würde man beim Lesen der Sätze, wie sie in (A) und (B) aufgeschrieben sind, nicht ausgehen, da nichts mit Sternchen, Unterstreichungen, Kursivschrift o.Ä. markiert ist und man auch keinen Kontext sieht (wie eine Frage oder eine dem Satz widersprechende Aussage), der einen Kontrastakzent rechtfertigen würde.
In (A) steht aber Könige im Vorfeld und kommt damit nicht als Teil des Fokus und Definiens in Frage, womit Lesart (2) ausscheidet. In (B) steht Paläste im Vorfeld und kommt damit nicht als Teil des Fokus und Definiens in Frage, womit Lesart (1) ausscheidet.
Insofern: Ja, die Satzstellung kann die Bedeutung verändern!
Eine Frage die vielleicht auch etwas mit dem Thema zu tun hat:
Anscheinend werden manche generische Sätze der Form „x sind y“ gemeinhin als „alle x sind y“ interpretiert (wie oben in den beiden Sätzen mit den Palästen/Königen), andere aber als „manche x sind y“, ohne dass klar wäre wie im Einzelfall die übliche Interpretation zustande kommt. Hier vermutet jemand dass relative Häufigkeiten für die Interpretation entscheidend sein könnten:
http://andrewgelman.com/2016/08/11/29627/
Was würdest du dazu sagen?
Das ist ein sehr interessanter Eintrag, danke für den Link! So intensiv hatte ich selbst noch nie über die Interpretation generischer Sätze nachgedacht. Oben hatte ich ihre Bedeutung mit dem Allquantor formalisiert, das war natürlich eine grobe Vereinfachung, die für die diskutierte Fragestellung m.E. glücklicherweise nichts zur Sache tat.
In dem Blogeintrag, in dem du verlinkst, ist zunächst davon die Rede, dass die Häufigkeit des Definiens beim Definiendum im Vergleich mit seiner Häufigkeit bei anderen relevanten Gruppen, die mit dem Definiendum verglichen werden könnten für die Akzeptabilität von generischen Sätzen entscheidend sein könnte. Das leuchtet mir sehr ein, gegen Ende wird aber auch klar, dass es noch komplizierter ist, wie man z.B. daran sieht, dass „insects are sterile“ oder „people are right-handed“ wenig akzeptabel sind.