Archiv der Kategorie: Welt

Digikäm

Kollege Everts freut sich auf die bevorstehende Fahrt in die Toskana. Er hat vor, einen der begleitenden Lehrer in kompromittierenden Situationen zu erwischen: „Ey! Ich hab ne Digicam, da kann ich alles festhalten!“

Digicams? Sind das nicht diese Geräte, die
a) eine halbe Minute zum Einschalten brauchen,
b) zwischen zwei Fotos zehn Sekunden brauchen und
c) fünftausend manuelle Einstellmöglichkeiten haben, die man anhand ganz fukeliger Knöpfe und langsamer Menüs auch nutzen muss, damit das Foto nicht total scheiße aussieht?

Doch, ich glaube schon. Perfekt geeignet für Schnappschüsse also, vorausgesetzt, die Raumtemperatur sinkt innerhalb von einer Sekunde um ca. 100° C. Kollege Everts bräuchte also eine Eiskanone, wie Mr. Freeze in Batman & Robin… die Dinger sollten Digitalkameras eigentlich grundsätzlich beigelegt werden.

Ich habe noch einen weiteren Weltverbesserungsvorschlag. Er betrifft Bauarbeiter. Denen fällt ja manchmal das Walkie-Talkie in die Betonmischmaschine oder so… und dann müssen sie brüllend kommunizieren. Das ist nicht sehr schön anzuhören. Alle Bauarbeiter sollten sich deshalb weiterbilden und das Jodeldiplom machen! Das Jodeln eignet sich ja hervorragend, um auch unter schwierigen akustischen Bedingungen (über Entfernungen, bei Lärm etc.) Informationen auszutauschen. Man müsste natürlich einen speziellen Jodelcode entwickeln, der auf baustellenspezifische Kommunikation ausgerichtet ist. Dann würde die Düsseldorfer Innenstadt richtig Alpenflair bekommen. Denn man kann hier ja keine Semmel in die Gegend werfen, ohne mindestens drei Großbaustellen zu treffen.

West

Jahrelang wurde für die Zigarettenmarke West mit den Bildern schriller Flirtender geworben. Vor einiger Zeit war man wohl der Meinung, es müsse etwas Neues her. Das Ergebnis war abscheulich. Über die Parole „Für mehr Handlung in Pornos!“ und vor allem die zugehörige Kinowerbung will ich mal gar nichts sagen, aber folgende beiden waren dreist: „Für Männer, die Gefühle zeigen!“ und „Für auch mal Fehler machen dürfen!“ Diese Forderungen sind ethische Gemeinplätze und Selbstverständlichkeiten, aber West stellt sich als ihr Apostel hin, der neue Maßstäbe setzt und die Menschheit endlich davon befreit, keine Fehler machen zu dürfen, und die Männer davon, keine Gefühle zeigen zu dürfen. Vielen Dank, aber jeder Mensch bei Trost akzeptiert schon lange Gefühlsäußerungen bei Männern und verzeiht Fehler und bedarf keiner Unterstützung durch dumme Zigarettenwerbung. Wäre dem nicht so, hätte West sich natürlich nie erfrecht, derart Originelles zu fordern. So aber darf man auf die entsprechende Zustimmung hoffen:

„Hallo, ich bin die Nadine aus Castrop-Rauxel, und ich bin da ehrlich gesagt voll d’accord, mit dem, was West da fordert. Nee, das klingt jetzt vielleicht komisch oder so, sorry, ne, aber ich bin da irgendwie voll dafür, dass man auch mal Fehler machen darf, ich mein, Tschuldigung, das ist ja auch irgendwo eine Frage der Lebenseinstellung. Find ich. Also, das ist zumindest meine Meinung. Nee, ich bin da ganz offen, ich bin jetzt echt nicht so’n Mensch, der sich da hinstellt und sagt: Man darf jetzt keine Fehler machen und so. Das gehört auch einfach dazu, dass man das akzeptiert, wenn mal jemandem was passiert, ich mein, jeder macht mal Fehler. Jeder. Das ist jetzt so meine Überzeugung und so, und da steh ich auch zu. Von daher kann ich nur sagen: Man soll schon auch mal Fehler machen dürfen.“

Satire come true

Vor vielen Jahrzehnten schrieb Ephraim Kishon eine Geschichte mit dem Titel „Alle Tiere sind schon da“. Der Erzähler wird von seinem Verleger gedungen, ein Kinderbuch mit einem Tier als Hauptperson zu schreiben, hat aber das Problem, dass praktisch alle Tierarten schon von anderen Kinderbuchautoren weggeschnappt wurden. Ganz am Ende verfällt er auf das Exotischste, was seine Fantasie hergibt. Und siehe da, der Tiefseeschwamm ist noch frei. Was soll ich sagen, heutzutage gibt es SpongeBob. Diese späte Verbindung von Satire und Wirklichkeit ist mir erst heute aufgefallen.

Ein fast ein wenig ähnlicher Fall liegt bei Andreas Schlüter vor: In seinem Jugend-Sciencefiction-Roman „2049“ erschafft er eine Zukunft, in der Lautsprecher in Warenhäusern Waren als „geil“ anpreisen, was die Besucher aus dem Jahr 1999 zusammenzucken lässt. Inzwischen sieht es eher so aus, als würde das Wort 2049 längst völlig has been sein – hat Saturn doch keine vier Jahre nach dem Erscheinen des Romans durch seinen Claim „Geiz ist geil!“ begonnen, das Wort salonfähig zu machen. Eigene Prospekte sowie die Konkurrenz griffen seine Verwendung auf, der Rest wird schon bald Geschichte sein.

Merkwürdige Unterschiede

Vor einem Supermarkt in Dol-de-Bretagne gibt es einen blau markierten Behindertenparkplatz und einen rot markierten Parkplatz für Eltern mit Kinderwagen. Hinter dem Behindertenparkplatz mahnt ein Schild mit einem Rollstuhlfahrer-Piktogramm: „Si vous prenez ma place, prenez aussi mon handicap.“ („Wenn Sie meinen Platz wegnehmen, nehmen Sie bitte auch meine Behinderung.“) Nach einem Schild mit der Aufschrift „Si vous prenez ma place, prenez aussi mon enfant.“ sucht man am benachbarten Parkplatz indes vergeblich. Die Welt ist voller merkwürdiger Unterschiede. Davon abgesehen gibt es für Behindertenparkplätze ohnehin bessere Mahnschilder.

Geschniegelte Jünglinge

Normalerweise haben alte Frauen geschniegelte, ernst blickende Jünglinge in Schwarzweiß in einem ovalen Rahmen auf dem Sekretär stehen. In Avromanches, einer normannischen Hafenstadt, wo 1944 aliierte Truppen landeten, sahen wir heute eine alte Frau, die ein solches Portrait als Tätowierung auf dem rechten Oberarm hatte.