Der wiederauferstandene Antitheist

Bis 2010 bloggte ein gewisser sapere aude über Gott, Religion und die Welt, mit einer seltenen Entschiedenheit aus atheistischer, ja antitheistischer Perspektive. Das fand ich sympathisch.

Meine Sympathie ließ nach, als ich einmal mit sapere aude über Beweise der Nichtexistenz Gottes diskutierte und er aber jeden Gottesbegriff, über den er bereit war zu diskutieren, auf etwas offensichtlich Absurdes einengte (Stichwort: Allmachtsparadoxon). Von da an kam mir sapere aude eher wie ein verrannter Fanatiker vor.

Am 28. Oktober 2010 wurde auf sapere audes Blog in der dritten Person die Nachricht von seinem überraschenden Tod gepostet, zusammen mit der Bitte, von Nachfragen nach den Umständen abzusehen. Seitdem war es still, bis zum 14. April 2015, als wieder ein Post in der ersten Person erschien, bestehend nur aus dem Titel: „Ich bin wieder da.“ Ein weiterer Post folgte am selben Tag. Er legt dar, der erwähnte Tod sei gar kein Tod im Wortsinne gewesen, sondern nur der eines „Geist[es]“, des „Religionsverächter[s] und Antitheist[en]“ sapere aude. Der Mensch dahinter habe ein „tiefe[s] und plötzliche[s] Bedürfnis“ verspürt, das Werk dieser Online-Persona nicht fortzusetzen. Es wird sich für die Täuschung entschuldigt und weitere Erklärungen angekündigt.

Was der atheistische Leser jetzt schon befürchtet, wird am 16. April Gewissheit: Der neue sapere aude postet, Theismus mache „Sinn“. Und dass er das verstanden habe, „indem ich mit religiösen Menschen gesprochen, gegessen, gesungen, gebetet, gelacht und gelebt habe.“ Details werden dazu noch nicht genannt, aber es klingt begeisterungstrunkenes Vokabular an („unschätzbarem Reichtum“, „überwältigt“), wie man es u.a. von evangelikalen Christen kennt. Die inszenierte Wiederauferstehung würde geradezu ins Bild passen.

Hat sapere aude seinen Fanatismus bewahrt und sich nur von einem ins andere Vorzeichen bekehrt? Oder ist der ursprüngliche Blogautor so tot wie zuvor und eine Entität mit anderer Agenda hat sich seines Accounts bemächtigt? Man darf auf weitere Posts gespannt sein.

Ein Gedanke zu „Der wiederauferstandene Antitheist

  1. Kilian Evang Beitragsautor

    Hihihi, der neue sapere aude lässt nun erfreulicherweise eine gewisse Distanz zum evangelikalen Christentum durchblicken und schreibt außerdem:

    Einen Fehler darf man nicht machen: Man darf die Geschichtend der Bibel nicht(!) als historische-wissenschaftliche Geschichtsschreibung lesen. Sondern es sind symbolisch-metaphorische Erzählungen, die universelle Fragen des menschlichen Leben allegorisch beantworten.

    Die Erkenntnis, dass man nicht alles wörtlich nehmen sollte, hätte man ihm schon damals gewünscht, als er noch Antitheist war! Aber besser spät als nie.

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