Eine Buchempfehlung in vier Zitaten: Alan Sokal und Jean Bricmont: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen. Es geht in diesem Buch um haarsträubendes Geschwalle, das der Welt erfolgreich als geisteswissenschaftliche Texte verkauft wurde. Die einzelnen Beispiele hiervon, die Sokal und Bricmont minutiös zerlegen, waren mir zu erschreckend und die Analyse zu ermüdend für eine vollständige Lektüre. Einführung, Intermezzi, Epilog und die Richtigstellungen der Autoren zu mancher missverstandenen Theorie sind jedoch ebenso vergnüglich wie geistig nahrhaft.
Wir greifen die Philosophie, die Geistes- und Sozialwissenschaften nicht in ihrer Gesamtheit an, im Gegenteil: In unseren Augen sind diese Disziplinen von größter Bedeutung, und wir wollen jene, die in diesen Fächern arbeiten (vor allem die Studenten) vor einigen eklatanten Fällen von Scharlatanerie warnen. Insbesondere wollen wir den Nimbus zerstören, den einige Texte besitzen: Sie seien deshalb so schwierig zu verstehen, weil die darin vorgebrachten Gedanken so tiefgründig seien. In vielen Fällen werden wir aufzeigen, daß die Texte einzig und allein deshalb so schwierig erscheinen, weil sie absolut nichts aussagen.
(…), daß die betreffenden Texte etwas beinhalten, das über „Fehler“ weit hinausgeht: Aus ihnen spricht eine tiefe Gleichgültigkeit, wenn nicht Verachtung, gegenüber Fakten und Logik. [Siehe hierzu auch On Bullshit von Harry G. Frankfurt, ke] Unser Ziel ist es also nicht, Geisteswissenschaftler zu verspotten, die beim Zitieren von Einstein oder Gödel Fehler gemacht haben, sondern den Kanon der Rationalität und der intellektuellen Redlichkeit zu verteidigen, der allen wissenschaftlichen Disziplinen zu eigen ist (oder jedenfalls sein sollte).
Das Werk Laplace’ wird oft mißverstanden. Als er den Begriff des universalen Determinismus einführte, fügte er sofort hinzu, wir würden „stets unendlich weit entfernt bleiben“ von seiner imaginären „Intelligenz“ und deren idealem Wissen der „jeweiligen Situation der Wesen, aus denen sie [die natürliche Welt] sich zusammensetzt“, das heißt, in eine moderne Sprache übersetzt, von den exakten Ausgangsbedingungen aller Teilchen. Laplace unterschied klar zwischen dem, wie sich die Natur verhält, und dem Wissen, das wir darüber haben. Er formulierte diese prinzipielle Unterscheidung sogar zu Beginn seines Aufsatzes über Wahrscheinlichkeitstheorie. Aber welche Bedeutung hat die Wahrscheinlichkeitstheorie für Laplace? Sie stellt für ihn lediglich eine Methode dar, um in einer Situation partieller Unwissenheit vernünftig entscheiden zu können. Die Bedeutung von Laplace’ Text wird vollkommen falsch dargestellt, wenn man sich einbildet, er habe gehofft, eines Tages zu vollkommenem Wissen und universeller Vorhersagbarkeit zu gelangen, denn das Ziel seines Aufsatzes bestand gerade darin zu erklären, wie man vorgehen solle, wenn man ein derartiges vollständiges Wissen nicht besitzt – so, wie man zum Beispiel in der statistischen Physik vorgeht.
Einige der in diesem Buch zitierten Texte vernachlässigen den empirischen Aspekt der Wissenschaft völlig und konzentrieren sich ausschließlich auf Sprache und theoretischen Formalismus. Sie vermitteln den Eindruck, als werde eine Erörterung schon dadurch „wissenschaftlich“, daß sie oberflächlich zusammenhängend wirkt, selbst wenn sie nie empirischen Tests unterzogen wird. Oder, noch schlimmer, als müsse man nur mit mathematischen Formeln um sich werfen, um Probleme einer Lösung zuzuführen.
Die Empfehlung will ich unterstützen. Ich erinnere mich noch daran, dass immer wieder die Unsitte von Geisteswissenschaftlern bemängelt wird, Terminologie aus den exakteren Wissenschaften zu entlehnen und sie dann nicht metaphorisch zu verwenden, sondern so, als könne sie tatsächlich auf die eigene Disziplin angewendet werden. Chaotische und fraktale Strukturen in der Literaturwissenschaft waren zu meiner Studienzeit in.
da bin ich mit Herrn Rau einverstanden…
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