Jaja, Wörter, die es nur in einer Sprache gibt und die in anderen Sprachen einfach kein passendes Äquivalent haben, ja die sich womöglich noch nicht einmal adäquat übersetzen lassen. Dieses oft falsche Gerede kann manchmal etwas ermüdend sein:
Die Reaktion war nicht konstruktiv, aber sehr erfrischend:
I say, not really, Shakespeare (Measure for Measure 3.1.32) (reprised by Eliot in Gerontion) wrote:
“Thou hast nor youth, nor age:
But as it were a Fressnarkose
Dreaming on both.”
Eskimos haben eine sehr große Primzahl an Wörtern für Schnee, aber keins für Eischnee.
Naja, es gibt ja auch Leute, die sagen, dass es gar keine richtigen Übersetzungen geben kann, und so abwegig finde ich den Gedanken nicht. Jede Übersetzung ist ein Kompromiss, nur der Grad der Faulheit variiert dabei.
Ich bin ehrlich gesagt eine von diesen Leuten. Allerdings finde ich die Beispiele der anderen oft sehr schlecht gewählt, und ich meine, dass es eigentlich um die hinter den Wörtern stehenden kultur-abhängig prominenteren Konzepte geht, denen in einer Fremdsprache kein so eindeutiges Wort zugeordnet ist und die sich darum allenfalls umschreiben und erklären lassen – was dann weniger konzis (<- vermutlich nur meine bilinguale Faulheit) ausfällt als im Original. Für Englisch und Deutsch dürften das aufgrund der engen Verwandtschaft und des langen Kontakts gar nicht so viele sein wie etwa für Deutsch und Japanisch oder für Englisch und Piraha (<- da haben wir's wieder). Und "Fressnarkose" ist wirklich gar keine Instanz dieser Problematik: Ich kannte "food coma" sogar zuerst und hätte eigentlich vermutet, dass "Fressnarkose" womöglich eine Lehnübersetzung sein könnte!
Dann gibt es aber auch keine richtigen Originale, denn jede/r spricht einen anderen Idiolekt. Dieser Effekt ist natürlich viel geringer als über Sprachgrenzen hinweg, aber im Prinzip derselbe, oder?
Halte ich für einen wichtigen Punkt!
Geht es wirklich um die eindeutige Zuordnung von Wörtern zu kulturabhängigen Konzepten? Wenn ich jetzt Ehre sage, weißt du genau, welches Konzept damit gemeint ist? Ich denke, nicht. Man braucht Kontext und Wissen über Kultur und Schreib-/Sprechsituation, um eine genaue Vorstellung zu entwickeln. So geht es einer deutschen Leserin eines deutschen Textes, und so wird es auch einer Japanerin gehen, wenn sie eine Übersetzung liest, in der Ehre mit, sagen wir mal, 一分 übersetzt ist. Wenn sie das Konzept nicht richtig versteht, dann liegt es wahrscheinlich nicht an der Übersetzung (vorausgesetzt, sie ist halbwegs gut), sondern daran, dass sie als Japanerin weniger mit mitteleuropäischen Konzepten vertraut ist als wir.
Also, meiner Meinung nach sind sprachliche Unterschiede immer nur sehr oberflächliche Auswirkungen kultureller Unterschiede. Übersetzen ist schwierig und eine hohe Kunst, aber ich halte es für prinzipiell möglich und nicht für eine Hauptschwierigkeit beim Verstehen anderer Kulturen. Niemand ist in seiner Muttersprache gefangen.
Natürlich spricht jeder einen eigenen Idiolekt und hat minimal verschiedene Konzepte im Vergleich zu anderen, das ist ja das Frustrierende… letztlich ist diese stetige Filterung von allem durch die persönliche Wahrnehmung und Interpretation ja das, woran die Geisteswissenschaften in höherem Maße kranken – und womit sie sich notgedrungen stärker auseinandersetzen müssen – als die Naturwissenschaften.
Was soll aber denn genau zum Übersetzen dazugehören? Daß man die Wahrheitsbedingungen eines Satzes einigermaßen in einer anderen Sprache nachbauen kann, ist ja nur der Anfang.
Wenn Böll die Anrede des Erzählers für den Unbekannten Zuhörer in Der Fänger im Roggen mit „Sie“ übersetzt, legt er sich damit hinsichtlich der Relation zwischen den beiden stärker fest, als es der Ausgangstext tut. Mit „Du“ wäre es dasselbe. Und eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn Bart Simpson die Überschnelle, Knecht Ruprechts Liebschaft, als „Flittchen“ bezeichnet, dann ist das nicht so witzig wie im englischen Original, eher gar nicht.
Die Beispiele werden Dich jetzt sicher nicht überraschen. Mich würde aber interessieren, was Du genau unter der Möglichkeit von Übersetzung verstehst. Die genannten Konflikte sind, so weit ich sehen kann, nicht auflösbar; dergleichen dürfte also nicht als Beeinträchtigung dieser Möglichkeit zählen.
Dass man einander versteht.
Und unter welchen Umständen versteht man einander?
Ich antworte mit einem Beispiel: Hillary Clinton verfasst auf Englisch eine Depesche, die die Freilassung Ai Weiweis fordert. Sie wird ins Chinesische übersetzt und von der chinesischen Regierung verstanden, d.h., die weiß jetzt, dass Clinton will, dass Ai freigelassen wird. Trotz des Verstehens wird die Verständigung schwierig bleiben, aber das liegt viel weniger an der Sprachbarriere (zu deren Überwindung gibt es der Kulturtechniken zur Genüge) als an dem unterschiedlichen Draufsein beider Seiten.
O ja, furchtbar nervig. Ich fühle mit dir oder sogar dir voraus! Besonders schlimm finde ich es, wenn Leute sich regelrecht in die Bedeutungsnuancen von Texten in ihrer Lieblingssprache verlieben, nur noch (und exzessiv) im Original zitieren und sich der Bitte um Übersetzung mit Kennermiene entziehen.
Freilich ist Übersetzung von gewissen theoretischen Standpunkten aus eigentlich nicht möglich. Aber das gilt auch empirisches Wissen, Moral, Willensfreiheit (ohne irgendetwas davon hier diskutieren zu wollen). Grundsatzdiskussionen über die Möglichkeit solcher Konzepte finde ich interessant und wichtig, aber meist nur störend im Hinblick auf ihre praktische Anwendung.
Ich könnte dir nicht zuer stimmen.
Zu einer Variation über das nervige Verliebtsein in Sprachspezifika vgl. http://texttheater.net/denken-und-sprechen
Oliver Scholz hat hierzublog an anderer Stelle einen wuchtigen Kommentar darüber geschrieben, welche Gestalten das Übersetzungsproblem konkret annehmen kann, am Beispiel von Hegel. Ich empfehle die Lektüre sehr!
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