In einem für Zeit-Verhältnisse nicht sehr gut geschriebenen Artikel stieß mir heute eine Verwendung des Wortes inzwischen auf, mehrfach kurz hintereinander. Zum Beispiel:
Inzwischen haben professionelle Betrüger das Netz als Einnahmequelle entdeckt.
Ich wittere einen typisch journalistischen Mogelausdruck, der im Zweifelsfall „seit zehn Jahren“ bedeuten kann, aber aktuelle Information suggeriert. Auf die Idee, den Missbrauch des Wortes zu bemängeln, komme ich natürlich nur, weil mir der ganze Artikel nicht mit der erforderlichen Ahnung geschrieben zu sein scheint. Andere Mogelausdrücke, die ich nicht mag, tauchen typischerweise in Unternehmens- und Amtskommunikation auf:
In diesem Fall müssen wir leider eine Bearbeitungsgebühr von 20 € erheben.
Die Installation dieser PHP-Erweiterung ist leider nicht möglich.
Was für ein Unfug – als ob die betreffenden Unternehmen da irgendwelchen Zwängen unterliegen würden! Die wollen die 20 €, um die Kundschaft zu konformerem Verhalten zu erziehen, bzw. sie wollen sich den Stress mit der Installation aus Sicherheits- oder Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht machen.
Doch ich bin ein Pharisäer – viel länger ist die Liste der Mogelausdrücke, die ich selbst gerne benutze, wenn ich mich nicht festlegen will oder mehr suggerieren möchte, als ich beweisen kann. „Mal schauen, ob’s jemand merkt“, feixe ich und schreibe:
- X stellt Y dar – ist X Y, kann X als Y benutzt werden, gibt sich X als Y aus oder wird X als Y wahrgenommen? Es gibt bestimmt noch mehr mögliche Interpretationen.
- Der Doppelpunkt ist auch so ein Mogelausdruck: Er kann mit praktisch beliebiger Bedeutung gefüllt werden, von denn über daher und zum Beispiel bis hin zu außerdem. Er eignet sich vortrefflich, um kausale Beziehungen zu suggerieren, ohne sich festnageln zu lassen.
- Es gibt Adverbien, die auf ähnliche Weise Sätze verbinden und die genaue Beziehung im Unklaren lassen. Namentlich kann namentlich vieles bedeuten, nämlich nämlich (denn), als ein Beispiel von vielen, als einziges Beispiel usw.
- einstweilen ist ein etwas veraltetes und wenig bekanntes Wort, dem wahrscheinlich relativ wenige Menschen sofort anhören, dass sich der damit bezeichnete Zeitraum nach Gusto bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag ausdehnen lässt.
- Wenn kein aber, nur o.Ä. folgt, ist das Wort eigentlich semantisch praktisch leer. Wenn etwas eigentlich so ist, dann ist es in aller Regel so, Punkt. Ein nützliches Zwischending zwischen eigentlich und fast ist das Mogelwort praktisch. Es ist nicht so bestimmt wie eigentlich, klingt aber auch nicht so einschränkend wie fast.
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