Pott

Ich komme aus Düsseldorf, das von Ortsfremden häufig „dem Pott“, also dem Kohlenpott, also dem Ruhrgebiet, zugeschlagen wird. Ganz unbegründet ist das nicht – Düsseldorf stößt direkt an des Ruhrgebietes Südkante und war der gleichen Industrialisierungswelle ausgesetzt, die das kohlenreiche Ruhrgebiet zu dem machte, wofür es bekannt ist. Dies allerdings insbesondere auch, was die weißkragigen Aspekte angeht (Verwaltungen von Thyssen, Krupp, Mannesmann, Wirtschaftsverbände, Messen) – man sprach vom „Schreibtisch des Ruhrgebiets“.

Mir gefällt enorm, was das Ruhrgebiet in den letzten Jahren aus sich gemacht hat. Letztens war ich mal wieder im Landschaftspark Duisburg-Nord, bei dem tausend Bilder mehr sagen als ein paar Worte, gestern dann spazierte ich durch Oberhausen, an einer Turbinenhalle und einem Gasometer vorbei, die immer noch so heißen, obwohl dort jetzt abgedancet bzw. Kunst ausgestellt wird. Mein Ziel war diesmal nicht so industriehistorisch angehaucht, es war das Schloss Oberhausen mit der Ausstellung Deix in the City, die Werkschau einer wohl ganz großen Nummer im Malen menschlicher Schwächen.

Mir kommt es so vor: Manfred Deix‘ Karikaturen übertreiben die Realität und schaffen es dabei fast immer, nicht nur die Zustände zu verspotten, sondern auch die, die sich über die Zustände aufregen. Und zwar heftig. Immer hat man das Gefühl „Huch, wen wollte er damit letztlich aufspießen?“ Diese Doppelbödigkeit fand ich beachtlich, ansonsten fand ich’s soso lala, ein Humor, den seine Derbheit nicht immer zu voller Blüte treibt.

Wollte ich also eine Chance haben, am selben Tage noch richtig begeistert zu werden, müsste ich eine weitere Ausstellung besuchen, und ich wählte Radical Advertising im Düsseldorfer NRW-Forum. „Erwarten Sie bitte keine besonders originelle oder aufwändige Werbung“, wurde sinngemäß gewarnt, aber leider erst nach dem Eintritt. „Hier geht es um systemverändernde Werbung.“ Inwiefern die gezeigte Werbung systemverändernd war, erschloss sich mir nicht. Im ersten Teil gab es einzelne Beispiele für Guerilla- und virales Marketing – hier hat es ein Museum schwer, einen besseren Überblick zu verschaffen als z.B. scaryideas oder YouTube. Von einem radikalen Paradigmenwechsel, der der zeitgenössischen Werbung im Geleittext großspurig bescheinigt wird, ist jedenfalls nichts zu sehen. Dafür unterscheiden sich in Haltestellenwände eingelassene Riesensandalen dann doch nicht genug von Plakaten und zieht es nicht weit genuke Kreise, wenn ein Baumarkt sich mal den Spaß erlaubt, einen Netzkult um einen fiktiven Stuntman auszulösen.

Auch im zweiten Teil kein Paradigmenwechsel, jedenfalls kein kontemporärer: Gezeigt wird Schockwerbung (Benetton, natürlich, und Diesel) aus längst vergangenen Jahrzehnten. Mag ja sein, dass das damals systemverändernd war, aber irre ich, oder ist die Ironie in der Werbung eine Randerscheinung geblieben? Als drittes Thema ein bisschen Adbusting.

Insgesamt habe ich mich von diesem Sonntag denn aber doch gut unterhalten gefühlt. :-)

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