Man liest ja viel über die zwei Sorten von Immigranten in Europa: die „schlecht integrierten“ mit den schlechten Schulleistungen aus dem Nahen Osten und die „gut integrierten“ mit den guten Schulleistungen aus dem Fernen Osten. Liest man sich einmal durch, wie solche guten Leistungen zustande kommen (tip to the hat to poet), und bedenkt,
- dass mich beim Lesen dieses Artikels sofort eine spontane Einsicht in die Qualitäten von Drill und eine gewisse Verzweiflung an westlicher Dekadenz (auch an meiner eigenen) ergriff,
- dass beim zweiten Nachdenken offenbar wurde, dass Drill zwar tatsächlich seine guten Resultate und seine Notwendigkeit hat, dass aber auf der anderen Seite Kreativität und Individualismus im chinesischen Erziehungsmodell nach Amy Chua genau gar nicht vorkommen („never allowed to (…) be in a school play (…) play any instrument other than the piano or violin“),
- dass erhebliche gesellschaftliche Kräfte im Westen jedoch vermutlich zu einseitig an wirtschaftlichem Erfolg orientiert sind, um das ebenso differenziert zu sehen,
- dass wir daher womöglich bald anfangen, dem fernöstlichen Ansatz nach Chua zu folgen und Humanismus zurückzubauen,
erscheint es ironisch, dass das Wort vom „Verteidigen westlicher Werte“ immer nur in Bezug auf Muslime und nie in Bezug auf etwa die schlauen Vietnamesen fällt.
Am angebrachtesten ist dieses Wort natürlich da, wo es sich auf uns Westler selbst bezieht: Verteidigen müssen wir die Werte vor allem gegen unsere eigene Neigung zu vergessen, was wir an der Aufklärung und den seither für die Freiheit des Individuums eingeschlagenen Pfosten (Arbeiterbewegung, Menschenrechte, Frauenbewegung, sexuelle Revolution etc.) haben und dass es mindestens sehr schade wäre, auch nur Stücke davon aufzugeben.
Danke für die Erwähnung :)
Bleibt zu hoffen, dass die Beobachtung meines Lieblings-Lehrers stimmt: Dass nämlich gerade die schlauen Vietnamesinnen (und sonstigen Asiatinnen), die ihm als Schülerinnen begegnen, nicht nur in allen Fächern exzellente Noten haben, sondern sich auch in der Schülermitvertretung hervortun, super viel organisieren, vielseitige außerschulische Interessen haben und sozial extrem kompetent und sehr beliebt sind. Also gerade ein Hybrid aus dem Besten beider Welten. Vermutlich mit verursacht durch die Tatsache, dass sich Vorurteile über Asiaten und Vorurteile über Frauen in den negativen Bereichen gegenseitig aufheben und in den positiven Bereichen optimal ergänzen (Intelligenz, Mathe- und Technik-Kompetenz, Nerdiness+soziale Kompetenz)… ? [Evidenz: http://education.nmsu.edu/ci/morehead/documents/begley.pdf%5D
Vielleicht besteht also die Hoffnung auf einen positiven Beitrag zur Zukunft der aufgeklärten Gesellschaft – gerade durch die schlauen Vietnames(inn)en?
Unbedingt! Ein Glück, dass es nicht überall so extrem zugeht wie bei Chuas.
Nicht mal bei Chuas: http://www.zeit.de/2011/11/Tiger-Mom-Amy-Chua/komplettansicht
In der aktuellen Zeit macht sich Khue Pham sehr lesenswerte Gedanken, die in ähnliche Richtungen gehen wie meine oben. Wiederum veranlasst durch ein Chua-Buch.