Archiv der Kategorie: Medien

Die Zeit und das Leben

Stadler und Waldorf

  • Die heutige Zeit ist komisch. Es gibt kein Inhaltsverzeichnis.
  • Ja, und das Leben hat nur zwei Seiten.

(Dieser Dialog spielte sich heute ungelogen zwischen Regina und mir ab. Es klang wie kryptische Nostalgie, bezog sich aber auf die von Streiks in der Drucksindustrie gebeutelte größte deutsche Wochenzeitung und ihre Magazinbeilage Leben, in der die Kolumne von Harald Martenstein und der Cartoon von Katz&Goldt zu finden sind. Beides ist nur selten wirklich lustig, aber Sucht ist Sucht.)

WIR SIND PAPST!

So schwer es mir schon fällt, eine ganze Nation auf dem Fußballfeld umherlaufend zum Weltmeister werden zu sehen – noch ferner liegt die Vorstellung, sie dränge sich zu Zigmillionen auf dem Heiligen Stuhl. Ist aber ja nur eine Bild-Schlagzeile, wie auch Letztes Tabu gebrochen – Sex bei Big Brother. Das war aber gar nicht das letzte Tabu. Inzest-Shows zur Prime Time zum Beispiel sind noch frei.

West

Jahrelang wurde für die Zigarettenmarke West mit den Bildern schriller Flirtender geworben. Vor einiger Zeit war man wohl der Meinung, es müsse etwas Neues her. Das Ergebnis war abscheulich. Über die Parole „Für mehr Handlung in Pornos!“ und vor allem die zugehörige Kinowerbung will ich mal gar nichts sagen, aber folgende beiden waren dreist: „Für Männer, die Gefühle zeigen!“ und „Für auch mal Fehler machen dürfen!“ Diese Forderungen sind ethische Gemeinplätze und Selbstverständlichkeiten, aber West stellt sich als ihr Apostel hin, der neue Maßstäbe setzt und die Menschheit endlich davon befreit, keine Fehler machen zu dürfen, und die Männer davon, keine Gefühle zeigen zu dürfen. Vielen Dank, aber jeder Mensch bei Trost akzeptiert schon lange Gefühlsäußerungen bei Männern und verzeiht Fehler und bedarf keiner Unterstützung durch dumme Zigarettenwerbung. Wäre dem nicht so, hätte West sich natürlich nie erfrecht, derart Originelles zu fordern. So aber darf man auf die entsprechende Zustimmung hoffen:

„Hallo, ich bin die Nadine aus Castrop-Rauxel, und ich bin da ehrlich gesagt voll d’accord, mit dem, was West da fordert. Nee, das klingt jetzt vielleicht komisch oder so, sorry, ne, aber ich bin da irgendwie voll dafür, dass man auch mal Fehler machen darf, ich mein, Tschuldigung, das ist ja auch irgendwo eine Frage der Lebenseinstellung. Find ich. Also, das ist zumindest meine Meinung. Nee, ich bin da ganz offen, ich bin jetzt echt nicht so’n Mensch, der sich da hinstellt und sagt: Man darf jetzt keine Fehler machen und so. Das gehört auch einfach dazu, dass man das akzeptiert, wenn mal jemandem was passiert, ich mein, jeder macht mal Fehler. Jeder. Das ist jetzt so meine Überzeugung und so, und da steh ich auch zu. Von daher kann ich nur sagen: Man soll schon auch mal Fehler machen dürfen.“

Satire come true

Vor vielen Jahrzehnten schrieb Ephraim Kishon eine Geschichte mit dem Titel „Alle Tiere sind schon da“. Der Erzähler wird von seinem Verleger gedungen, ein Kinderbuch mit einem Tier als Hauptperson zu schreiben, hat aber das Problem, dass praktisch alle Tierarten schon von anderen Kinderbuchautoren weggeschnappt wurden. Ganz am Ende verfällt er auf das Exotischste, was seine Fantasie hergibt. Und siehe da, der Tiefseeschwamm ist noch frei. Was soll ich sagen, heutzutage gibt es SpongeBob. Diese späte Verbindung von Satire und Wirklichkeit ist mir erst heute aufgefallen.

Ein fast ein wenig ähnlicher Fall liegt bei Andreas Schlüter vor: In seinem Jugend-Sciencefiction-Roman „2049“ erschafft er eine Zukunft, in der Lautsprecher in Warenhäusern Waren als „geil“ anpreisen, was die Besucher aus dem Jahr 1999 zusammenzucken lässt. Inzwischen sieht es eher so aus, als würde das Wort 2049 längst völlig has been sein – hat Saturn doch keine vier Jahre nach dem Erscheinen des Romans durch seinen Claim „Geiz ist geil!“ begonnen, das Wort salonfähig zu machen. Eigene Prospekte sowie die Konkurrenz griffen seine Verwendung auf, der Rest wird schon bald Geschichte sein.

„Die witzigsten Werbespots der Welt“

Diese Sendung lebt von den witzigen Werbespots und stirbt von den dummen Kommentaren Fritz Egners, der gleichermaßen gewollt originell und schlecht geschnitten durch alle möglichen Umgebungen spazieren zu müssen glaubt. Auch schlecht: Die halbherzige Synchronisation. Gut: Die Musik und das Spiel mit den Mattscheibenschlieren im Anspann.

Prophezeiung

Eines Tages wird eine neue Generation junger, aufmüpfiger, wilder, rebellischer, visionärer Regisseure die Studios von Hollywood stürmen. Und siehe, ihre Filme werden ein neues Zeitalter einläuten, denn sie werden voll sein von Leuten, die

  • ihre Autos abschließen
  • Türen hinter sich zumachen
  • Telefongespräche mit Formeln beenden

To be continued…

Seite 3

Michelle Wie kann nicht singen – das weiß nicht jeder. Ich habe diese wertvolle Information der aufmerksamen Lektüre der Seite 3 des prisma, des Wochenmagazins zur Zeitung, zu verdanken. Es könnte natürlich auch sein, dass es sich lediglich um eine unverschämte, ungeprüfte, Schande auf das Antlitz des Journalismus hebende Behauptung handelt, die einfach aufgestellt wurde, um einen… hm… eleganten Übergang von Erin Rocha zu ermöglichen. Dafür nehmen gewisse Schreiberlinge bestimmt auch die üble Nachrede gegen die Sangeskünste hawaiianischer Golfstars in Kauf.