Ein Adverbialsatz ist ein Nebensatz, der die Wahrheitsbedingungen des übergeordneten Satzes modifiziert. Bei den meisten Typen von Adverbialsätzen ist diese Modifikation monoton, das heißt, wenn das Gefüge aus übergeordnetem Satz und Adverbialsatz wahr ist, ist auf jeden Fall auch der übergeordnete Satz wahr. So zum Beispiel bei kausalen Adverbialsätzen, die einen Grund angeben: Wenn das Gefüge Wir gehen nach Hause, weil es regnet wahr ist, ist auch der übergeordnete Satz Wir gehen nach Hause zwingend wahr. Nicht monoton sind dagegen die konditionalen Adverbialsätze (eingeleitet durch Konjunktionen wie wenn, falls, sofern, außer…), die eine Bedingung für das Geschehen angeben: Wenn das Gefüge Wenn es regnet, bleiben wir zu Hause wahr ist, muss deshalb der Satz Wir bleiben zu Hause nicht unbedingt wahr sein.
Im Deutschen erkennt man Adverbialsätze typischerweise daran, dass sie mit einer Konjunktion eingeleitet werden und Verbletztstellung aufweisen, das flektierte Verb also hinten steht. Es gibt aber auch konditionale (und temporale) Adverbialsätze, die keine Konjunktion haben und Verberststellung aufweisen, wie das Hilfst du mir in Hilfst du mir, helf ich dir.
Es gibt noch ein weiteres Baumuster für konditionale Adverbialsätze, das allerdings so gut wie ausgestorben ist. Man begegnet ihm in alten Texten, zum Beispiel in der Lutherbibel: Ich lass dich nicht, du segnest mich denn. Die Kennzeichen sind Verbzweitstellung, oft Konjunktiv I und das Wort denn, das sich hier syntaktisch wie ein Adverb, semantisch aber, wenn man so will, eher wie eine Konjunktion mit der Bedeutung wenn nicht, außer verhält. (In anderen Bedeutungen kommt denn ja sowohl als Konjunktion – Wir gehen nach Hause, denn es regnet – als auch als Adverb – Ich brauch denn mal Hilfe – vor.)
Liebe Germanist/inn/en! War diese Konstruktion immer so ungewöhnlich, wie sie heute erscheint, oder gibt es in der deutschen Sprachgeschichte weitere bekannte Beispiele für… fassen wir den Gegenstand erst mal weit: Adverbialsätze mit Verbzweitstellung? Adverbialsätze mit Verbzweitstellung, die ohne Konjunktion angeschlossen werden?
Im heutigen Standarddeutschen ist die Konstruktion mit denn jedenfalls ein Fremdkörper und wird nicht mehr produktiv verwendet, sie ist allerdings erstarrt in der Wendung es sei denn, X erhalten, wobei X wahlweise ein ganz normaler dass-Satz oder Verbzweitsatz ist.
Siehe auch: Eintrag für denn im Deutschen Wörterbuch (man suche nach nisi).
„Peter ging ins Bett, denn er war müde“ – sollte man diese immer noch sehr produktive (und anscheinend auf dem Vormarsch befindliche, vgl. „Peter ging ins Bett, weil er war müde“) Konstruktion nicht genauso als Adverbialsatz mit Verbzweitstellung deuten? Die Schulgrammatik würde wohl sagen das sei wegen der Verbzweitstellung kein Nebensatz. Aber das erscheint mir (als Nichtspezialisten für Deutsch) als zirkulär.
Guter Punkt! Man sollte den Gegenstand wohl enger fassen: Adverbialsätze mit Verbzweitstellung, die ohne Konjunktion angeschlossen werden. Ich editier’s oben gerade.
ich kriege gerade konstruktionen mit so denn nicht mehr aus dem kopf.
so ist eine unterordnende Konjunktion, leitet also Adverbialsätze mit Verbletztstellung ein… und dieses denn ist neben den bereits erwähnten denn’s (Konjunktion mit Verbzweitsatz, Adverb in der Bedeutung dann und eben jenes rätselhafte außer) noch ein weiteres denn, eine Partikel, die der Duden hier beschreibt. Fünftes gibt es natürlich noch das altertümliche als–denn aus Geben ist seliger denn nehmen.
Die Nürnberger hängen keinen – sie hätten ihn denn zuvor!
Sonst fällt mir gerade auch nichts ein.
Also auch gern mit Konjunktiv II, stimmt.
Ah, Konjunktiv I hattest Du geschrieben, hatte ich glatt überlesen.
mir ist heute beim zocken was über den weg gestolpert, die konstruktion scheints damals auch öfter gegeben zu haben:
(so) lebt denn wohl
gibts auch in liedern, zb hier:
http://www.musicanet.org/robokopp/Lieder/solebtde.html
und auch ohne so, wobei das häufiger vorkommt als ohne so:
http://www.volksliederarchiv.de/text2454.html
Wenn das Gefüge Wenn ich lese, bleiben meine Augen offen wahr ist, muss deshalb das Satzteil – als Hauptsatz – bleiben meine Augen offen
nichtunbedingt wahr sein; es sei denn, ich sei blind.Pingback: Blogspektrogramm #9 | Texttheater
Konjunktiv I für Realis, Konjunktiv II für Irrealis, oder?
Angesichts der Beispiele, die wir gesehen haben, könnte das die Regel sein. Aber ich kenne nicht genug Beispiele, um sagen zu können, ob so ein Zusammenhang tatsächlich besteht. Man müsste mal in einem historischen Korpus recherchieren.