Nemesis

In meiner Schule gab es eine Person, die ich irgendwann zu meiner persönlichen Nemesis erklärte. Obwohl wir uns gar nicht kannten, schaffte sie es immer wieder, mir dumm zu kommen und meine gute Laune zu durchkreuzen. Einmal ranzte sie mich beim Jahrbuchverkauf gereizt an – hatte ich das Geld nicht geschmeidig genug parat gehabt? – einmal musste ich im Jahrbuch einen schnöselig-arroganten Artikel von ihr lesen und ein drittes Ereignis dieser Art habe ich vergessen. Wenn jemand in deinem Leben eine solche Rolle spielt, bezeichnet man ihn im Englischen gerne schon mal als Nemesis. Interessanterweise ist dieses Wort dem Nachnamen der erwähnten Person gar nicht unähnlich.

Nun sollte man meinen, wenn man im Abstand von ein oder zwei Jahren die Schule verlässt und sich in ganz unterschiedliche Richtungen verschlagen lässt, dann hören solche Begegnungen irgendwann auf. Aber eine Nemesis ist etwas Schicksalhaftes und verschwindet nicht einfach aus deinem Leben. So erhielt ich im vergangenen Sommer aus heiterem Himmel eine E-Mail von ihr, ich solle „endlich“ ihren Namen von meiner Website nehmen. Die Wortwahl legte meine Stirn in Zornesfalten, war ich doch in keiner mir bekannten Angelegenheit säumig gewesen. Nun ja, meine Nemesis hatte mir offenbar schon einmal eine E-Mail geschickt oder zu schicken geglaubt, die jedenfalls nie angekommen war.

Es ging darum, dass jemand ihren vollen Namen in einem Kommentar auf meiner Lehrerzitate-Website genannt hatte, und den tilgte ich denn auch prompt. Postwendend fragte meine Nemesis zurück, wie das denn sein könne, dass ihr Name trotzdem noch bei Google auftauche. Diese tiefe Unkenntnis über die Funktionsweise eines heutzutage für praktisch alle Welt unverzichtbaren Recherchewerkzeugs – und das bei einer Studentin in einem sehr anspruchsvollen ingenieurswissenschaftlichen Studiengang – erschreckte mich etwas. Jedenfalls habe ich aus der Episode gelernt, dass ich meine Nemesis wohl noch auf dem Sterbebett nicht loswerden werde. Sie wird dort auftauchen und irgendeine blöde Bemerkung machen, und das EKG wird noch einmal wie blöd zu piepen beginnen. Hat ja auch was, so ein vertrautes Ärgernis.

2 Gedanken zu „Nemesis

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