Das Deutsche kennt die Modalverben dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen. Manchmal wird auch noch lassen dazugezählt. Kombiniert man ein Modalverb mit dem Hilfsverb haben (fürs Perfekt), geht der Spaß los: Es ergeben sich interessante Bedeutungsunterschiede, je nach dem, ob man das Modal- unter dem Hilfsverb einbettet oder andersherum, je nach Dialekt, Situation und individuellem Empfinden. Mein Empfinden geht so:
Nur die Standardvariante ist zulässig bei lassen und bei dürfen im Indikativ:
(1a) Du hast mich tanzen lassen.
(1b) * Du lässt mich getanzt haben.
(2a) Du hättest mich tanzen lassen.
(2b) * Du ließest mich getanzt haben.
(3a) Sie hat sich bedienen dürfen.
(3b) * Sie darf sich bedient haben.
(1b) und (2b) werden wohl erst mit dem Einzug der Zeitreisetechnik in unseren Alltag sinnvoll werden – (3b) ergibt schlicht keinen Sinn.
Gleiche oder teilweise ähnliche Bedeutungen ergeben sich bei wollen, müssen und sollen im Konjunktiv:
(4a) Ich hätte das die ganze Zeit machen wollen.
(4b) Ich wollte das die ganze Zeit gemacht haben.
(4b) wird manchmal als das „Rheinische Futur III“ bezeichnet. Im Rheinischen wird es jedenfalls oft im Sinne von (4a) verwendet, meine ich sagen zu können.
(5a) Ihr hättet mich aufhalten müssen.
(5b) Ihr müsstet mich aufgehalten haben.
Würde ich als gleichbedeutend akzeptieren, (5b) scheint mir aber etwas bedingen zu wollen, eine Ergänzung à la „…um die Explosion zu verhindern.“
(6a) Du hättest den Baum pflanzen sollen.
(6b) Du solltest den Baum gepflanzt haben.
(6b) klingt gut, wenn man „inzwischen“, „mittlerweile“ oder so etwas hinzufügt, wenn man also „bis zu einem bestimmten Zeitpunkt“ meint.
Beim ganzen Rest gibt es mehr oder minder interessanter Unterschiede in der Bedeutung. Bettet man das Hilfs- unter dem Modalverb ein, gehört die Modalität (Absichten, Pflichten, Zwänge…) nicht mehr dem Subjekt des Satzes, sondern dem vergangenen Ereignis: Es wird immer irgendwie in Frage gestellt.
(7a) Sie hätte sich bedienen dürfen.
(7b) Sie dürfte sich bedient haben.
(8a) Er hat etwas sehen wollen.
(8b) Er will etwas gesehen haben.
(9a) Sie haben den Knopf drücken können.
(9b) Sie können den Knopf gedrückt haben.
(10a) Sie hätten den Knopf drücken können.
(10b) Sie könnten den Knopf gedrückt haben.
(12a) Ihr habt mich aufhalten müssen.
(12b) Ihr müsst mich aufgehalten haben.
(13a) Du hast den Baum pflanzen sollen.
(13b) Du sollst den Baum gepflanzt haben.
(14a) Ich habe ihn ohrfeigen mögen.
(14b) Ich mag ihn geohrfeigt haben.
(15a) Ich hätte ihn ohrfeigen mögen.
(15b) Ich möchte ihn geohrfeigt haben.
Und zwar drückt (7b) eine Vermutung aus, (9b) eine Möglichkeit, (10b) fast dieselbe, nur, dass mehr Unsicherheit mitschwingt. Bei (7a) und (10a) dagegen weiß man genau, dass das Ereignis nicht stattgefunden hat und bei (9a), dass es stattgefunden hat: Sie haben versucht, auf den Knopf zu drücken, und sie haben es geschafft. So zumindest meine spontane Lesart. Auch (12b) drückt eine Vermutung aus, die „einzig mögliche Erklärung“.
(8b) gibt eine Behauptung wieder, (13b) ein Gerücht, (14b) räumt eine Möglichkeit ein. (15b) schließlich ist sehr schrullig, lässt sich aber am ehesten noch so auffassen, dass hier einer verpassten Chance nachgetrauert wird…