Archiv der Kategorie: Geistesleben

Kognitive Dissonanz

Wenn man a) sich für einen klugen Kopf hält und b) einen Job macht, der eigentlich sinnlos ist, dann besteht die Gefahr, dass man die kognitive Dissonanz dadurch verringert, dass man sich einredet, der Job sei gar nicht so sinnlos.
Herr Rau

Oh ja. Das kenne ich aus eigener Erfahrung.

Heilige Etymogelei

Ein besonders schönes Ziel für Parodien sind Predigten, die mit wackeligen Analogien vom Alltag zu Gott überleiten. In einem katholischen Kirchenblatt las ich mal eine besinnliche Spalte über Sterne am Himmel und Stars im Fernsehen. „Bei all dem Strahlen, das von George Clooney, Madonna oder Drew Barrymore auszugehen scheint“, schloss sie sinngemäß, „sollten wir eines nicht vergessen: Sterne leuchten nicht aus eigener Kraft. Sie reflektieren nur das Licht der Sonne.“ FAIL. So etwas funktioniert nicht nur mit Astronomie, sondern auch mit Fremdsprachen. Hier sind evangelische Pfarrer im Vorteil, sie haben nämlich mitunter Kinder, an denen sie ihre Ausführungen testen können. So konnte ich meinen Vater einmal davor bewahren, The Godfather of Jazz mit Der Gottvater des Jazz zu übersetzen. Andere Pannen sind unsubtiler und passieren auch noch: Ein Pfarrer griff sich aus dem Schatz des Alltags das burn-out-Syndrom heraus und ließ die Gemeinde wissen, dass auch Jesus für uns „ausgeboren“ sei (via belauscht.de). Ich lag unter dem Tisch, als ich das las, stellt sich hier doch nicht nur die Frage nach Hochwürdens Englischwörterbuch, sondern auch die nach seinen Drogen. Der liebste Wonnegraus sind mir aber die vielen kleinen Wortspiele, wenn sie mit einem staatstragendem Ernst gepredigt werden, der verleugnet, dass sie nur Spiele sind. Die verschiedenen Bedeutungen von aufbrechen miteinander zu verquicken, etwa wenn Abraham nach Kanaan aufbricht und in ihm ein Pfropfen aufbricht, ist ja plausibel und geistreich, alles schön und gut. Ich bin kein großer Kirchgänger und weiß nicht, ob es stimmt, aber osmotisch aufgenommenes popkulturelles Halbwissen lässt mich vermuten, dass Pfarrerinnen und Pfarrer solche Muster oft ad absurdum reiten. Da ich gerade kein gutes Beispiel zur Hand habe, denke ich mir ein dämliches aus: „Und plötzlich ver-steht Jakob. Es ist, als hätte Gott einen Schalter umgelegt, etwas in ihm ver-stellt.“ Max Goldt hat dies in dem wunderbaren Text Die Ansprache des Bahnhofsbischofs (Lesungsmitschnitt auf der CD Die Aschenbechergymnastik) minimalistisch parodiert, indem er einen Doppelsinn nicht einmal andeutet, aber trotzdem das Präfix eines Präfixverbs und die Partikel eines Partikelverbs so betont und absetzt, als gäbe es einen: „Auf einem Bahnhof, wo Menschen auf dem Wege sind, wo Menschen an-kommen, vor schwierigen Ent-scheidungen stehen oder gerade Schwieriges ent-schieden haben.“

Phonetik

Ich sitze gerade in einer Bibliothek und verfolge in einem Internet-Forum eine Diskussion um die Aussprache diverser Konsonanten. So etwas geht unweigerlich mit Selbstausprobieren einher. Möchte nicht wissen, was die anderen Bibliotheksbenutzer von mir denken…

Nachhaltigkeit

Ein Schwank aus meinem Berufsleben: Ein linguistisches Korpus ist eine Sammlung von Texten bzw. Transkriptionen gesprochener Sprache, die zusammengestellt wurde, um daran Sprache(n) zu erforschen. Zu so einem Korpus gehören üblicherweise nicht nur die Texte/Transkriptionen selbst, sondern auch Annotation (Angaben zu Wortarten, syntaktischer Struktur, Betonung, Akzent und was weiß ich) und eine Menge Metadaten, d.h.: Wie heißt das Korpus, wer hat es wann zusammengestellt, wo, wie und wann wurden die Daten erhoben? 1969 in einem togolesischen Dorf oder 1984 in einem Leipziger Sprachlabor? Will man diese Metadaten so aufbewahren, dass Linguisten auch noch in zehn Jahren vernünftig damit arbeiten können, ist man gut beraten, nicht einfach „Deutschland“ oder „Nordkorea“ zu schreiben, weil sich Grenzen, Namen und Existenzen von Staaten ja alleweil ändern. Eine Möglichkeit, den Ort der Datenerhebung eindeutig festzuhalten, wären geografische Koordinaten. Will man allerdings die Metadaten so aufbewahren, dass Linguisten auch noch in tausend Jahren vernünftig damit arbeiten können, reicht auch das nicht, weil: Kontinentaldrift! Zum Glück gibt es auch für die Zeitachse standardisierte Koordinatensysteme.

Frage des Tages (1)

Wenn man in einem englischen Text von einer Java-Klasse spricht, ist dann der qualifizierte oder der unqualifizierte Klassenname phonologisch relevant? Heißt es also „a javax.jcr.Item“ oder „an javax.jcr.Item“?

Ich werde froh sein, wenn ich meinen Praktikumsbericht endlich fertig habe.

Liedtextverspottung

Du wirst jetzt 25 Jahre alt,
doch alt, das wirst du nie,
denn solange es hier Kinder gibt,
da bist du nicht am Ziel.
Geschichten aus dem Leben,
die wird’s immer wieder geben.
Solange hier die Kinder lachen,
musst du weitermachen.
Das Modul: Gratuliere

Sollte man seine Kinder die „Sendung mit der Maus“ dann lieber nicht gucken lassen? Bei diesem Geburstagsständchen drängt sich ja die Frage auf, was dann eigentlich das Ziel der Maus ist.

Coin operated boy
He may not be real, experienced with girls
But i know he feels like a boy should feel
Dresden Dolls: Coin Operated Boy

So we’re supposed to not feel anything? Nette Ambiguität.

Kollation

Ich verwalte mehrere MySQL-Datenbanken, die ich in letzter Zeit nach und nach von der veralteten Zeichenkodierung Latin 1 auf das neue UTF-8 umgestellt habe. Dabei gilt es auch die Kollationen für einzelne Tabellenspalten auszuwählen, das sind Regeln, nach denen Stichwörter bei Bedarf sortiert werden (wie Nachnamen in einem Telefonbuch). Merkwürdig ist, dass MySQL Kollationen für alle möglichen Sprachen kennt, aber nicht für die deutsche; es ist also zum Beispiel utf8_swedish_ci vorhanden, aber kein utf8_german_ci. Zuerst war ich paralysiert von dieser Lücke. Im Web wurde verschiedentlich empfohlen, stattdessen utf8_czech_ci zu verwenden. Warum ausgerechnet die, wurde aber nicht erklärt. Schließlich konnte ich mich doch noch frohen Herzens dazu entschließen, als mir nämlich einfiel, dass ich ein T-Shirt mit der Aufschrift „Schön ist, was tschechisch ist“ besitze und die Verwendung der tschechischen Kollation daher nur konsequent ist.