Archiv der Kategorie: Musik

Why I Love Wikipedia (#587)

“Disgustipated” is track 69 on most pressings in North America (causing most CD players upon reaching the end of track 9 to advance through tracks 10-68, which contain no data, at a rate of about 2 per second until track 69 is reached). It also appears as track 39, track 10 (mostly in Europe) or as a hidden track following “Flood” on track 9. On certain Japanese imports, “Disgustipated” is track 70, with a short live version of “Flood” as track 71.

Undertow (album)

So bunt, so romantisch, so witzig

Ein mit erklärungsbedürftigen Wundern, Daseinsformen und Phänomenen um sich schmeißendes Buch wie Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär ist schwer zu adaptieren. Zu einer vor Jahren mal umraunten, bisher nicht in Sichten Filmfassung verriet Walter Moers die Parole „Alles außer Trickfilm!“ Von Malik habe ich die Überzeugung, dass Stop-Motion die ideale Technik wäre. Ich hoffe jedenfalls, dass das Projekt noch betrieben wird, und zwar von kompetenter Seite. Furchtbar misslungen ist ja das Musical, dass die Wunder Zamoniens auf ein visuell absolut unbeeindruckendes Kasperltheater zusammendampfte. Immerhin bleibt es durch einige musikalische Highlights positiv in Erinnerung, zum Beispiel durch die folgende Passage aus der Nummer Blau muss mein Geliebter sein. Man muss sie aber hören, gesungen, nein, geschrien von Fredda der Berghutze, um dem vollen Zauber zu verfallen.

Ist es auch komplementär,
mir gefällt Orange nicht sehr.
Mint, Rosé und auch das Pink
sind ganz sicher nicht mein Ding.
Gold und Silber oder Bronze
haben bei mir keine Chance
und du solltest dich verzieh’n,
wenn dein Ton ist Aubergine.
Mir vergeht der Appetit,
denk ich nur an Anthrazit.
Rosa, Lila und Oliv
macht mich richtig aggressiv.
Bist du grün, dann kann es sein,
hau ich dir die Zähne ein.
Ich mag Gelb nicht und kein Ocker,
Blau, nur Blau haut mich vom Hocker!

Und wo wir gerade bei lustigen Liebesliedtexten mit Farben sind, zitiere ich noch eine Strophe aus Stereo Totals Ich weiß nicht mehr genau:

Mein Gedächtnis hat Löcher.
Ich weiß nicht mehr genau:
Welche Farbe hatten seine Augen?
Ich glaub, die waren blau.
Waren sie blau, waren sie grün
oder waren sie grau?
Oder wechselten sie ständig
vom Wetter abhängig?

Sollte Ihnen der Text metrisch zweifelhaft erscheinen – Françoise Cactus singt mit französischem Akzent, die darf mit der Betonung machen, was sie will. Darin besteht ein nicht unwesentlicher Teil des Reizes bei Stereo Total…

Ein Raum und ein Treppenhaus

Nach The Quintet of the Astonished will ich heute zwei weitere meiner Lieblingskunstwerke vorstellen. I Am Sitting in a Room (2005) ist Residuums digitale Wiedererschaffung des gleichnamigen Stücks von Alvin Lucier (1970). Der sprach damals folgenden Text auf Band…

I am sitting in a room different to the one you are in now. I am recording the sound of my speaking voice and I am going to play it back into the room again until the resonant frequencies of the room reinforce themselves so that any semblance of my speech with perhaps the exception of rhythm, is destroyed. What you you will hear, then, are the natural resonant frequencies of the room articulated by speech. I regard this activity not so much as a demonstration of a physical fact, but more as a way to smooth out any irregularities my speech might have.

…nahm auf einem anderen Band das Abspielen des Textes in einem Raum (mit spezifischen Resonanzeigenschaften) auf und tat dasselbe immer wieder mit der jeweils letzten Aufnahme, bis aus dem Sprechen ein sphärisch-abstraktes Pfeifen und Kreischen geworden war. Mehrere (alle?) Aufnahmen aus der Reihe bilden das fertige, ca. 15-minütige Stück. Eine gute Idee, aber eine ungenießbare Umsetzung. Residuums Version ändert das, indem es die Imperfektionen der Wirklichkeit hinter sich lässt. Statt eines Menschen spricht ein (sehr blechernes) Text-to-Speech-System, und statt einen echten Raum den Klang filtern zu lassen, wird eine digitale, wahrscheinlich nicht sehr realistische Simulation bemüht. Mit jeder Iteration wird es halliger, ungefähr ab der 32. ist keine Ähnlichkeit mit Sprache mehr wahrnehmbar und man kann sich das wirklich gut anhören.

Ganz früher war ich mal in einem Physikerlebnismuseum für Kinder gewesen und hatte dort ein säulenförmiges „Klavier“ gesehen, dessen acht Tasten im Kreis um die Säule herum angeordnet waren. Jede Taste schien einen höheren Ton zu produzieren als die links von ihr. Ging man um das Klavier herum und spielte eine Tonleiter, produzierte man scheinbar ständig höhere Töne, ohne jemals die eine Oktave zu verlassen. Diese Illusion entsteht dadurch, dass immer ein Sinuston zusammen mit vielen Ober- und Untertönen gespielt wird, die zu den Rändern des hörbaren Frequenzspektrums hin leiser werden (Shepard-Skala, der Beginn eines langen faszinierenden Wikipädiegeklickes).

Da es damals noch keine Wikipädie gegeben hatte, geriet ich mit Shepard-Tönen erst wieder in Kontakt, als ich 2007 durchs ZKM schlenderte, außer einem Industrieroboter, der die Bibel auf Pergament kalligrafierte, noch nicht viel Begeisterndes gesehen hatte, und mich nicht groß fragte, woher das leise Jaulen in der Ausstellungshalle kam – na geh, die Lüftungsanlage würde es halt sein. Man kann sich meine Begeisterung vorstellen, als ich schließlich Elín Hansdottírs treppenhausförmige Installation Drift betrat, das Jaulen genauer hörte und gewahr wurde, dass der Shepard-Effekt auch als absteigendes Glissando funktioniert! Absteigend war auch deshalb gut, weil man die weiß verschalte Treppe hinaufsteigen musste, die Wände des Schachtes sich aber so neigten, dass es erst ein wenig klaustrophobisch und dann ziemlich plötzlich surreal zwergenhaft wurde; weiter ging es nicht. Diesen Effekt kombiniert mit dem Shepard-Glissando, das man im Mittelalter für ein eigenhändiges Werk des Satans zum Verstoß gegen die Ordnung des Kosmos gehalten hätte, fand ich sehr beeindruckend. Was auf clevere Weise an Urängste rührt, ist mir ohnehin die liebste Kunst.

Batz! Schrumm! Kläng!

Nichts ist so lustig wie das Zerdreschen von Musikinstrumenten. Jedenfalls wenn es gut sound-engineert ist. Ein schönes Beispiel ist, wie Steve in Choosy Wives Choose Smith ein Cello als Waffe gegen eine Katze einsetzt. Auch schön: Der sprichwörtliche Konzertflügel, der einem immer dann auf den Kopf fällt, wenn man jede Vorsichtsmaßnahme getroffen und seinem Glück auf alle erdenklichen Weisen auf die Sprünge geholfen hat. Einen Film, in dem gleich ein komplettes Instrumentengeschäft explodiert, habe ich bisher noch nicht gesehen. Gibt es aber bestimmt. Pointers welcome.

You Can’t Spell „Soundso“ without „Sound“

Was die beiden Bands betrifft, die man unter Deutschrock → WI findet, bin ich meinen Fanpflichten diesmal mit teils erheblicher Verspätung nachgekommen. Jetzt hab ich sie endlich, die neuen Alben von Wir sind Helden und Wise Guys. Und will sie mit jeweils einer dieser schönen Love-it-hate-it-Listen würdigen, wie Julius sie immer macht.

Wir sind Helden: Soundso

(Ode) an die Arbeit – Looooove it.
Also, was das Schaf da mit dem Gras macht – keine Arbeit. / Was man später mit dem Schaf macht – das ist Arbeit!

Die Konkurrenz – Looooove it.
Du pfeifst und singst und fühlst dich frei / da zieht wer links an dir vorbei. / Vorbeizieh’n ist dir einerlei / sagst du und wirst ganz blass dabei.

Soundso – Looooove it.
Aber nichts davon bestimmt dich, weißt du / nichts davon verglimmt nicht mit der Zeit…

Für nichts garantieren – Love it.

Kaputt – Love it.

Labyrinth – Love it.

The Geek (Shall Inherit) – Love it.

Endlich ein Grund zur Panik – Looooove it.

Die Krieg kommt schneller zurück als du denkst – Love it.
Was ist so lustig an Liebe und Frieden? Was ist so lustig?

Hände hoch – Love it.

Stiller – Love it.

Lass uns verschwinden – Love it.

Hier also ein knappes und eindeutiges Urteil. Die Texte z.B. machen mich sprachlos mit ihrem Sprachwitz. Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll, zu zitieren. Das Album ist halt grandios. Und auch die Wise Guys, hätten sie auch drei der mörderisch vielen Lieder auf ihrer neuen CD ohne Verlust einfach weglassen können, scheinen mir nicht auf dem absteigenden Ast zu sein…

Wise Guys: Frei!

Am Anfang – Hate it. Wer hat in Stein gemeißelt, dass jedes Album einen „Opener“ braucht?

Relativ – Love it. Nett und flott.

Es ist nicht immer leicht – Hate it.

Ich will zu dir – Love it. Sehnsuchtsvoll.

Die ersten warmen Tage – Hate it. Die Schönwetterobsession entwickelt sich zur Kardinalschwäche der Wise Guys.

Alles in die Luft – Love it. Witzig!

Schiller – Looooove it. Natürlich. Das ist im Vorfeld schon massiv 3sat und YouTube rauf- und runtergekultet. Es ist wunderbar, die Parodie auf Michael Jacksons Thriller jetzt in der Studioqualität genießen zu können, die ihrer Dramatik gerecht wird.
Jener Schleimer, der scheinbar in Weimar zwei-, dreima‘ dabeiwar / gilt heut als Klassiker pur, als Leitkultur, warum nur?

Wir hatten eine gute Zeit – Love it. Gefühlvoll.

Seemann – Looove it. Cooles Shantie, lustige Pointe.

Sonnenschein – Love it.

Das Wasser – Love it. Melancholoid.

Nonverbale Kommunikation – Love it.

Langsam – Love it.
Aber der Sekundenzeiger /bei der Uhr dort an der Wand / bleibt nach der Pause tempomäßig offenbar konstant / trotzdem kommt er nach der Runde wieder pünktlich oben an /woher weiß der Zeiger bloß, wie lang er Pause machen kann?

Paris – Gähn.

Jeden Samstag – Love it. Geht textlich los wie „Aber bitte mit Sahne“ und hat musikalisch eine fantastische Gackerbegleitung.

Quäl dich fit – I disagree, but looove it.

ChaChaCha auf’m Dach – Love it.

Nummer drei – Love it. Klagend.

Herbst am See – Love it. Melancholisch.

Paris (feat. Bremer Philharmoniker) – Okay. Die Orchesterversion kann man sich ganz gut anhören. Ist halt lustig.