Archiv der Kategorie: Welt

Krasse Aufzüge (2)

Haußerstraße, Tübingen: Ein steiler grüner Garten mit einem schmucken gelben Gartenhäuschen vor einem schmucken gelben Haupthaus, dazu eine… Gartenachterbahn? Man wähnt sich in einem Vergnügungspark…

…bis man die Anlage eines Tages in Betrieb sieht. Es handelt sich um einen gigantischen Treppenlift.

Leistungsträger und Leistungsverweigerer

Zwei Schlagwörter und meine zwei Cent

Du bist also klug, fleißig und hast dein Leben im Griff. Deine Fähigkeiten, flexibel zu sein, die richtigen Ideen zu haben und bei der Sache zu bleiben bescheren dir wirtschaftlichen Erfolg. Du magst es, für dich selbst verantwortlich zu sein. Bevormundung ist dir ein Gräuel. Ich sympathisiere!

Was die Gesellschaft betrifft, so hältst du dich für einen ihrer Leistungsträger. Die günstigen Bedingungen, die sie deinem Aufstieg geboten hat, hast du natürlich gern angenommen. Andere an den Früchten deiner Arbeit teilhaben zu lassen, siehst du aber nicht ein. Wer deine Fähigkeiten und deinen Erfolg nicht hat, hat deiner Meinung nach die Pflicht zu verelenden, damit sich deine Leistung „wieder lohnt“. Du erhebst deine Fähigkeit zur Selbstverantwortlichkeit zur Ideologie, verdrängend, dass auch du einmal nicht mehr können könntest. Steuern und Abgaben würdest du daher am liebsten ganz abschaffen. Tatsächlich bist du also ein Leistungsverweigerer.

My Favorite Language Resources on the Web

  • LEO is the online dictionary for native speakers of German. It has English, French, Mandarin Chinese, Italian, Spanish and Russian. I use it for the first three. LEO is very basic, it just gives you a list of all translations for a word or phrase with no ranking and very little information about usage and context. But the lists are often quite complete, it’s fast and there is also a message board that sometimes has useful additional translations and usage information. Here, as with everything on the Internet, using one’s brain while looking things up is important (as opposed to trusting the next best piece of information blindly).
  • Recently, I have frequently found English words on dict.cc which were missing from LEO.
  • The English Wiktionary has vast amounts of information on Chinese characters and their usage in Mandarin Chinese.
  • A third source for Chinese is Arch Chinese, which I use mainly for stroke orders, and sometimes for decomposition into radicals. The latter is done great here in principle, but alas, it’s quite incomplete.
  • Linguee is a new and hot thing with clever use of language technology. You can search English/German parallel corpora and see how others have solved the problem of translating XYZ. Now also available for English/Spanish, English/French and English/Portuguese.
  • If you already have an idea of how to put something and want to check it against text written by others,  or when you just want to get an idea of how a word is used, Google is a classic of course. With some (especially rare) words, the 1,000,000,000 dictionary sites out there tend to get in the way though and clutter up the first few results pages – when what you want is precisely not a dictionary, but unedited real-life usage. For that purpose, I have defined the Serchilo command “Google as a concordancer”, which filters out all dictionary sites I have discovered so far. Even if you are not yet using Serchilo as your default “search engine” (which you should), you can use the command by typing serchilo.net/cong yourword in your browser’s address bar.
  • As a grammar geek, I love the Logos Universal Conjugator, a vast archive of verb inflection tables in many languages. I mainly use it for French and Latin, when I need a more outlandish form of an irregular verb (or of a regular verb, for that matter) that I never bothered to remember thoroughly.

Dear readers, what are your favorite online tools for mastering foreign tongues?

Krasse Aufzüge (1)

Da geht man in Bilbao (Spanien) nichts ahnend einen Weg am Hang entlang. Plötzlich taucht links eine Brücke auf, knickt ein paarmal ab und verschwindet im Gebüsch. Neugierig folgt man ihr und findet einen Aufzug, der kaminartig aus einem Haus herausragt. Damit kann man für ein paar Cent in die Altstadt fahren.

Generationenkonflikt

So mancher, der in eine Ära materiellen Wohlstands hineingeboren wurde, hat sich über die Alten gewundert, die im Krieg jung gewesen waren und nun Zeit ihres Lebens fettem und reichlichem Essen zusprachen, als gölte es Kalorien für die nächste Hungersnot zu horten. Meine Generation hierzulande heutzutage wächst in einer Ära auf, in der nicht nur Essen, sondern auch Information im Überfluss vorhanden ist. Ich bemerke vereinzelt, wie mir das Horten von Büchern und Dokumenten, wie ich es in der Generation meiner Eltern sehen kann, fremd ist. „Sohn, handle klug und vorausschauend! Wenn du in einem halben Jahr jederzeit in der Lage sein möchtest, etwas mit F nachzuschlagen, dann sieh zu, dass du jetzt eine Enzyklopädie abonnierst, die bis dahin zu dem Buchstaben vorgedrungen ist!“ – „Ach, Papa, wenn ich dann was nachschlagen muss, gucke ich einfach im Internet.“ Wenn man eine ganz steile These draus drechseln möchte, kann man sagen, dass das Internet beim Übergang von einer Haben-Gesellschaft zu einer Seins-Gesellschaft helfen kann. Der Kampfbegriff Internet-Ausdrucker wird hauptsächlich gegen Leute gerichtet, die das Internet nicht verstehen, aber trotzdem darüber bestimmen wollen. Er drückt aber meiner Empfindung nach auch die Verachtung über eine obsolete Geisteshaltung aus, nach der sich Information besitzen lässt und gierig gehortet werden sollte. Anstatt dass man ihr einfach freien Fluss ermöglicht und sich darauf verlässt, dass man online finden wird, was man braucht, wenn man es braucht, wie die Luft zum Atmen.

Schoko-Enten

In Frankfurt an der Oder gibt es einen Optikerladen, dessen Schaufenster viele gelbe und einige schwarze Badeenten aus Kunststoff schmücken. Ein Gewinnspiel für Kinder lädt dazu ein, die „Schoko-Enten“, die sich in der Auslage „versteckt“ haben, aufzuspüren und zu zählen. Wenn man nicht stets von jedem das Beste annähme und seine Vorurteile über Ostdeutschland nicht im Griff hätte, könnte man das ein wenig bedenklich finden.

Netzneutralität – keine Selbstverständlichkeit

Merken Sie was?

Noch vor Kurzem kämpfte die internetaffine Gemeinde in Deutschland erbittert gegen ein Gesetz, das Internetzugangsanbietern (ISPs) ein Stück weit vorschreiben sollte, wie sie ihren Job zu machen haben: das Zugangserschwerungsgesetz, ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit, schlecht mit dem Banner des Kampfes gegen Kinderpornografie bemäntelt, getragen auf den Flügeln stumpfsinnigsten Aktionismus. Leider hat man damals auch immer wieder die pauschale Forderung gehört, der Staat habe sich gefälligst aus dem Internet herauszuhalten, es regele sich besser selbst. Solche Forderungen waren nicht nur wohlfeile Munition für – ich überspitze – böswillige Internetausdrucker etwa bei Zeit und bei Emma, sie stellen sich jetzt auch als Bumerang heraus.

Denn dieser Tage kämpft die internetaffine Gemeinde in Deutschland erbittert für ein Gesetz, das ISPs ein Stück weit vorschreiben soll, wie sie ihren Job zu machen haben: eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Netzneutralität ist bisher schlicht deswegen gegeben, weil bis vor Kurzem noch kein ISP auf die Idee gekommen war, es anders zu machen. Diesmal setzen wir uns also nicht gegen ein Gesetzesvorhaben zur Wehr, sondern wir fordern eins ein. Diese Erkenntnis ist wichtig für den Feinschliff unserer Argumente. Bei einigen der werten internetaffinen Mitstreiter scheint sie noch nicht angekommen zu sein. Ich greife wahllos den Kommentar von Mitzeichner 3083, Torsten Bolz, heraus:

Es ist wirklich ärgerlich, sich für Selbstverständlichkeiten einsetzen zu müssen.

Nein, eine Selbstverständlichkeit ist die Netzneutralität eben nicht. Sie ist bisher nichts gesetzlich Garantiertes, sondern etwas historisch Gewachsenes. Meiner Ansicht nach ist sie aber eine obzwar eher zufällige, so doch große Errungenschaft für die Demokratie: Alle können Sender sein, und alle senden gleichberechtigt. Diese Errungenschaft zu verlieren fände ich äußerst schmerzhaft, vor allem angesichts drohender Oligopolisierung von Nachrichten-, Meinungs- und Wissensangeboten. Deswegen finde ich es nötig, die Netzneutralität durch ein Gesetz zu schützen. Denn wäre es nicht nötig, ein solches Gesetz zu machen, wäre es nötig, kein Gesetz zu machen.

Ich habe die Erklärung der Initiative Pro Netzneutralität! also mitunterzeichnet, obwohl ausgerechnet der erste Satz völlig verunglückt ist:

Ein freies Internet ohne staatliche oder wirtschaftliche Eingriffe ist Garant für freien Meinungsaustausch weltweit und damit die direkte Ableitung des Rechts auf Meinungsfreiheit.

Das ist gleich dreifach Quatsch: Einen staatlichen Eingriff fordern wir ja gerade und wirtschaftliche Eingriffe sind die Voraussetzung dafür, dass es das Internet (jenseits seiner akademischen Ursprünge) überhaupt gibt. Es kömmt auf die Art dieser Eingriffe an. Ein Garant für freien Meinungsaustausch weltweit ist die Netzneutralität noch lange nicht, gemeint ist wohl „Voraussetzung“, und selbst das scheint mir übertrieben. Und aus dem Recht auf Meinungsfreiheit lässt sie sich nicht ableiten, schon gar nicht direkt. Nicht alles, was gut ist, ist ein Menschenrecht. Muss man immer gleich so maßlos übertreiben und bullshitten, wenn man irgendetwas durchkriegen will? Vielleicht schon.

Zwei Papiertüten

Als ich um fünf vor zwölf in den REWE rausche, stellt sich mir die schwarz gekleidete Sekuritärin in den Weg, eine Schrankwand von einer Frau. „Eingang ist da!“ Aus der üblichen Geistesabwesenheit gerissen und jäh in eine soziale Situation geschubst reagiert mein Stammhirn autark und hält auch diesmal wieder eine Überraschung für mich bereit, nämlich ein Welpengesicht und einen leicht bettelnden Tonfall: „Ich muss nur zwei Papiertüten kaufen, wär das okay, wenn ich eben hier rein gehe?“ Slightly off, wenn man bedenkt, dass es nicht an sich darum geht, einen Umweg zur Kasse zu vermeiden, sondern darum, mein Gesicht zu wahren. Wahrscheinlich wirke ich wie auf Drogen, aber mein Argument zieht. Die Pointe entfällt.

Beckers Welt

Peinliche journalistische Unsitten, Folge 983: Eine etablierte Ausdrucksweise mit auskennerischer, gönnerhafter Gebärde als Sprachmarotte einer Randgruppe belächeln und damit nur die eigene horrende Kenntnislosigkeit vorführen. So geschehen schon neulich in der Zeit und diese Woche ebenda erneut. Diesmal trifft es nicht Sprachlehrerinnen und Beamte, sondern einen Banker mit Burnout:

Er betreut dort Firmenchefs, genauer: Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern. Mithilfe der Bank wollen sie Maschinen, Lastwagen, Immobilien dauerhaft mieten, statt sie zu kaufen. Leasen heißt das in Beckers Welt.

Ja, in welcher Welt denn nicht?!