Gut, dass anscheinend auch Lebkuchenhäuser Seifenspender haben, die gelegentlich nachgefüllt werden müssen. Ansonsten wären Lea und Konstantin in Milchwald (Christoph Hochhäusler, 2003) bestimmt der bösen Hexe statt dem netten Kuba Lubinski in die Hände gefallen. So weit meine Theorie dazu, dass sein Auto mitten im Wald stand.
Archiv des Autors: Kilian Evang
Deutsch aufraumen
Inspiriert von Ursus Wehrli und LaTeX. Textquelle: taz.
Die Simulation macht’s moglich. Sei’s als Arche Noah vor der Haustur, als traute Heimat im fernen Paradiesgartchen – das Erdengluck wird rundum fabriziert. Im touristischen Ghetto feiert es frohliche Urstand. Wo sonst lassen sich Urlauberbedurfnisse so komprimiert aufbereiten? „Ich bin dieses Jahr ganz erschopft in den Urlaub gefahren. Und in meiner Erschopfung brauche ich den Schutz, die Sicherheit, das Versorgtwerden. Die gute Organisation meines Veranstalters hat mir schon wahrend der Reise die erste Gelassenheit ermoglicht; Pannen, Storungen, Konflikte hatte ich nur schlecht ertragen… Mein Touristenghetto prasentiert mir das Grandiose, das Irritierende der fremden sudlichen Welt portioniert, verkleinert und uberschaubar.“ Die Padagogin Gisela Wegener-Spohring spricht in ihrem Buch „Massentourismus und Padagogik“ aus, was die abgeschlossene Anlage so attraktiv macht: aufgehoben und versorgt, geschatzt, hofiert und angenommen zu sein. „Wann habe ich das sonst je? Ich weiß, daß ich dies alles bezahle, aber ich nehme es aufatmend an.“ Ein Seufzer, die Urlauberin fuhlt sich entlastet, sie spurt, ihre Bedurfnisse sind ihr vorausgeeilt.
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Home
Home (Yann Arthus-Bertrand, 2009), ein grauenhafter Film, nicht zu verwechseln mit Home (Ursula Meier, 2008), einem großartigen Film. In geselliger Runde wurde gestern ein Versuch gestartet, ihn anzuschauen, doch nach kurzer Zeit brachten ich und weitere Zuschauer/innen diesen Plan durch Murren zu Fall und wir widmeten uns wieder voll der Geselligkeit. Der vorliegende Verriss basiert also auf den ersten ungefähr 20 Minuten. Verstehen Sie mich nicht falsch, Home ist ein toller Bildschirmschoner. Ich finde es aber künstlerisch unredlich, einen Bildschirmschoner mit Musik und Text zu unterlegen und als Film zu verkaufen. Diese Mogelpackung hatte mich schon bei Mikrokosmos (Claude Nuridsany und Marie Pérennou, 1996) gestört. Bei Home kommt noch dazu, dass er sich als engagierter Film mit aufrüttelnder Botschaft zum Umweltschutz präsentiert, wie es bei Filmen halt gerade Mode ist. Ha!
Ich bin ungerecht; vielleicht gibt es ja wirklich Leute, die sich von Home zu einem verantwortungsbewussteren Umgang mit der Erde animieren lassen. Aber wenn ich mich in jemanden hineinversetze, dem Home gefällt, dann stelle ich mir vor, dass ich das Kino verlasse und gar kein Problem sehe, weil das an der Erde Schöne, nämlich bonbonbunte Luftbilder zu dramatischem Geschrummel und parapoetisch/pseudoinformativer Sprechberieselung („The atmosphere was thick with carbon dyoxide“), ja jetzt auf DVD konserviert ist.
Ich habe nichts grundsätzlich gegen die Kombination aus Landschaftsaufnahmen und Musik. Es gibt auch künstlerisch wertvolle Filme, die sich ihrer bedienen, um das gestörte Gleichgewicht zu thematisieren, das da herrscht zwischen den aufopferungsvollen Versuchen der Menschheit, eine technisch perfekte Zukunft zu schaffen, und dem blöden Planeten, der es für nötig hält, empfindlich darauf zu reagieren zwischen der Erde und ihrer rücksichtslosen Aneignung durch uns, die Menschen, zum Beispiel Koyaanisqatsi (Godfrey Reggio, 1982). Die gesellige Runde schaute noch Ausschnitte daraus, nachdem Home geditcht war. Die Musik ist von Philip Glass, und das gab Anlass zu folgendem Dialog.
A: Ich bin ja auch ein großer Fan von Steve Reich.
B: Von wem?
C: Steve Reich, auch ein Vertreter der Minimal Music.
B: Also nicht Third Reich.
A: Nein, Third Reich ist sein Bruder.
B: Sein Stiefbruder.
A: Nein, nicht Steve Bruder!
Es wurde noch ein schöner Abend.
Was ich immer sage (3)
Was bisher geschah: Was ich immer sage, Was ich immer sage (2).
- (als Zeitangabe zwischen Mitternacht und dem Schlafengehen) morgen (also heute)
- (als Zeitangabe zwischen Mitternacht und dem Schlafengehen) heute (also gestern)
- Ich bestehe zur Gänze aus Ohren.
- All das. All diese Dinge.
- Na?
- (als Beschreibung von Übernachtungsbedürfnissen) isomattengroßes Stück Fußboden
- (als Ausdruck des Neides) Abstoßend.
- Frohes Schaffen!
- Wie kommt’s?
- Worin äußert sich das?
- Inwiefern?
- Ausgezeichnet.
- (auf die Frage „Was hörst’n du so für Musik?“) Von allem das Beste.
- Sag, …
- Klingt verlockend.
- (bei sprachlichen Zweifelsfällen, Google aufrufend) Machen wir mal eine kleine Korpusstudie.
- (wenn ein Bekannter stark abgenommen hat) Ist ja kaum noch was übrig von dir!
- Genau.
- Well put.
- Nicht doch.
- Let’s make this interesting.
- Keep it coming.
- Das erklärt einiges.
- Es gibt eine Theorie, nach der das bereits geschehen ist.
- Das mögen mir dereinst die Englein verklickern, wenn ich behangen mit Orden für Aufrichtigkeit durch das Himmelreich spaziere.
- Ein bisschen denken schadet manchmal nicht.
- Nie wieder wirst du aus meinem Munde einen Kalauer hören, und wenn du lauerst, bis du kahl wirst.
- Greetings!
- Das können Sie halten, wie du willst.
- Alright!
Übernommen von Timo Brunke (4), Gako (7), Douglas Adams (24), Max Goldt (25) und dem Volksmund (27, 29).
Entzückend
Der Schwimmwestenboogie
Auf manchen Flügen werden die Sicherheitshinweise heutzutage nicht mehr von Stewards und Stewardessen ausgeäktet, sondern sind per Video zu sehen, zu Fahrstuhlmusik. Die Stewards und Stewardessen stehen währenddessen steif da und haben nichts zu tun, außer im richtigen Moment die Notausgänge zu zeigen. Unterhaltsamer wäre es, wenn sie mit wachspuppenhaftem Gesicht zu der Fahrstuhlmusik tanzen würden.
Stallman/Sproull
Sie haben jetzt die Geschichte des Hackers Mark Zuckerberg verfilmt, dabei ist doch die von Richard Stallman viel eher movie material. Die (legendenhafte) Schlüsselszene zu Beginn wäre natürlich die, in der Stallman um 1980 herum kasual in Professor Robert Sproulls Büro an der Carnegie Mellon University vorbeitropft, um den Quellcode eines bestimmten Xerox-Druckertreibers bittet und wie vom Donner gerührt ist, als seine Bitte entgegen allen Gewohnheiten abgeschlagen wird: Der Treiber ist „proprietär“, die Entwickler haben zugesichert, den Quellcode nicht herauszugeben. Also die Art von Software, mit der dann Bill Gates ein Vermögen verdiente, mit der die meisten von uns in den Neunzigern und Nullzigern aufgewachsen sind und die manche dann entnervt größtenteils hinter sich ließen, als sie von Windows zu Linux wechselten.
Ich würde die Szene so gestalten: Stallman natürlich in speckiger Jeans, verwaschenem T-Shirt und den ganzen Kopf voll langer Haare, Sproull im Dreiteiler mit akkurat gescheitelten Haaren. Während das Gespräch von einem lässigen, kollegialen Plausch in die Keimzelle eines Kriegs der Welten übergeht, fliegen dramatische Schnitte zwischen beiden Männern hin und her, untermalt von Paukenschlägen, die Kamera kommt den Gesichtern immer näher. Kalte Sachlichkeit in Sproulls Gesicht, in die sich dann ein Funken süffisanter Schadenfreude mischt, während die Züge seines hippiehaften Gegenübers von Unverständnis über Entsetzen in nackten Zorn übergehen.
Am Ende sieht man den Mann mit dem wilden Bart aus der Vogelperspektive, wie er die Fäuste gen Himmel reckt und einen Urschrei ausstößt – der Moment, in dem Richard Stallman beschließt, sein Leben von Stund an dem Kampf für Freie Software zu widmen.
Schöne Bigramme
Wie wäre es also allso:
Das Bild vom Ruhrgebiet in den Köpfen der Menschen ist weithin weiterhin von Zechen und Hochöfen geprägt.
Der ehemals so genannte „Große Administrator“ trägt von nun an und vorerst immerdar den Titel „Geliebter Sprachführer“! (amarillo)
Die Menüs können Sie durch Anklicken aufklappen.
Ich schlage vor, dass wir uns auf die Podiumsdiskussion konzentrieren und das Tamtam drumrum ingorieren.
Die neuen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nahmen gerade Fahrt auf, da fand sie die Tat, der sie auf der Spur war, durch eine unvorhergesehene Gesetzesänderung jäh verjährt.
So geschehen schon neulich in Bochum und gestern ebenda erneut.
Was ich mal gesagt habe (2)
Eigenlob der geglückten Formulierung. Was bisher geschah: Was ich mal gesagt habe.
- Selbst wenn es so wäre, würde ich es nicht wissen wollen.
- Ich gehe mal kurz um die Ecke, und wenn ich zurückkomme, habt ihr besser ein neues Gesprächsthema gefunden.
- Ich ermutige zur Einfach-mal-Integration ins Wiki, dabei bilden sich dann Anschlüsse und Gesamteindrücke, von denen ausgehend man alles weiter zurechtbiegen kann.
- Ich bin stolz, einer Nation ohne Nationalstolz anzugehören.
- Nun gut, es ist ja nicht so, als ob ich nicht ein paar Tricks kennte.
- In a sick and twisted way this even makes sense.
- Dieses Thema hat den Charme der Wohldefiniertheit.
- Falls sich jemand wundert… nicht wundern.
- Jahrelanges latentes Interesse ist nun endlich auf wundersame Weise in Besitz umgeschlagen.
- Ihr rockt! Rockt fürbaß!
- Das will ich in einem sehr realen Sinne nicht wissen.
- In that case what I just said must have made very little sense to you.
- Das habe ich für dich mitverdrängt.
- Nicht meine Region, nicht meine Zeit, nicht mein Niveau.
- Korrekt. Ich meine, plausibel.
Dämmwahn
Neues vom Zeit-Abbestellen (aus Zeitgründen, nicht aus Zeit-Gründen): Die Zustellung hat bereits aufgehört, mein Zugang zum E-Paper ist aber noch nicht gesperrt. Eine gute Gelegenheit, an dieser Stelle nach bewährter Manier noch einmal auf den Schwachsinn der Woche hinzuweisen. Hanno Rauterberg polemisiert unter der Überschrift Schluss mit dem Dämmwahn! aus ästhetischen Gründen gegen die Dämmung von Häuserfassaden:
Verwundert werden die Menschen der Zukunft auf solche Merkwürdigkeiten blicken und sich fragen, was damals wohl los war in diesem Land, das sich ganz und gar einhüllte in die Vernunft technischer Errungenschaften, dafür aber alles Schöne calvinistisch verbarg. Das sich gern fugendicht abgeschlossen hätte, gegen Migranten und auch sonst gegen alles Unwägbare. Das sich selbst isolierte, um wettersicher den Stürmen der Zukunft trotzen zu können.
Bravo, munter drauflosschwadroniert und dabei zwei Sachen in einen Topf geworfen, die auf keiner, aber auch wirklich auf gar keiner Ebene irgendetwas miteinander zu tun haben: einerseits Xenophobie, andererseits eine Maßnahme gegen die Erderwärmung, deren Folgen auf alarmierende Weise gerade nicht unwägbar sind.
Es versetzt mir immer einen Stich, wenn jemand mit so einem Stuss eine Stelle in einem Essay verleimt, wo ihm kein besserer Anschluss zwischen zwei (akzeptablen) Teilen eingefallen ist. Aber wenn er es in einem Artikel tut, in dem er sich eine so wenig verantwortungsbewusste Meinung zum Klimaschutz leistet, macht es mich richtig wütend.