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Air Quotes

Anführungszeichen kann man nicht aussprechen. Das ist ein Problem, wenn man Texte mit Anführungszeichen vorliest. Bei Zitaten oder wörtlicher Rede nicht so sehr, da kann man sich die Anführungszeichen aus dem Kontext und der Stimmführung dazudenken. Werden Anführungszeichen aber verwendet, um sich von der benutzten Wortwahl zu distanzieren, um Unglauben oder Ironie auszudrücken, muss man sie irgendwie explizit wahrnehmbar machen. Seriös, aber dem Zuhörer auch leicht entgänglich ist es, vor den angeführten Worten eine hörbare Pause zu machen und sie dann etwas überbetont vorzulesen. So wird es z.B. bei ZEIT Audio gemacht. Max Goldt verwendet auf seinen Lesungen zuweilen die, höhö, Höhö-Methode, höhö, Sie verstehen. Hat man Blickkontakt zum Zuhörer und keine Angst vor dem etwas schlechten Image dieser Geste, wird man dagegen air quotes verwenden.

Bei air quotes hebt man beide Hände auf Kopfhöhe und zuckt – meist zweimal – mit Zeige- und Mittelfingern. Häufiger als beim Vorlesen kommen air quotes als Geste beim mündlichen Kommunizieren zum Einsatz. Über ihre schon recht lange Geschichte verrät die englische Wikipädie mehr.

Wie sollen air quotes eigentlich auf Deutsch heißen? Ich dachte erst an Entenfüßchen wegen Gänsefüßchen und weil sie oben in der Luft sind statt unten auf Papier und Enten ja gründeln – nur: Beim Gründeln bleiben die Füße im Gegensatz zum Bürzel unter Wasser, also stimmt das Bild leider nicht. Vorschläge willkommen.

Mein Schatzkästlein des Humors enthält eine bisher zweiteilige Materialsammlung zum dem Thema: einen Ruthe-Cartoon (Air quotes mit Hufen! Göttlich!) und ein Zitat aus der Simpsons-Folge, in der Bart mit einem Doppelgänger aus reichem Hause die Rollen tauscht:

Lisa: Mom, “Bart” has something to tell you.
Marge: I don’t like the look of those air quotes.

Wortschätzchen

Die Heuschnuppen fliegen creutzfeldein. Ein Schlagwortgewitter liegt in der Luft. Schneeglückchen im Streichelstress antichambrieren beim Fahrradhenker. In der Aggregorianik seines signalschwarzen Himmelsbonbons herrschen Schwermetallmusik und Tintenbarock. Im gefrierbeutelübergreifenden Schuldbewusstenersatzteillager nebenan hat ein Metagott die Indogermanesen zu Teebaumhaxe und Kalbsblütenhonig geladen und lässt zur allgemeinen interconvenience Witzcluedo spielen. Zwischen zwei an ihren Unfuguhren nestelnden Imponderabilienmaklern entspinnt sich eine anaptyktische, von Anglischismen nicht freie conversation nasale über das Bismarck-Zerebral, während die Lambdafantasten Räuchermilch trinken und ein Schafthäher starkes entertailment zwischen glamour grammar und Salzlichtfotografie nachweist. Über allem schwebt die Quadrupeltilde und ein sanfter Bonn-Bad Godesbeat.

Word of the Day: clabrevication

A blend of clarification and abbreviation. Describes the process of rewriting part of a text such that it becomes both more understandable and shorter, possibly even without losing information. Clabrevication is widely considered the supreme discipline of copy editing, although it has been argued that less depends on the editor’s skills than on the text being written in such a way to allow it.

Nazi Compounds

Phrase # of Google hits
(at the time of entering the list)
grammar nazi 188,000
music nazi 122,000
love nazi 85,600
food nazi 75,000
movie nazi 50,300
porn nazi 47,100
health nazi 25,100
republican nazi 19,000
code nazi 13,000
moral nazi 11,800
house nazi 8,140
democrat nazi 7,320
Jesus nazi 5,100
dance nazi 4,400
cleaning nazi 4,050
underwear nazi 3,950
peace nazi 3,760
bible nazi 3,000
political correctness nazi 2,780
math nazi 2,680
health insurance nazi 2,530
relevance nazi 252
linguistics nazi 224
encapsulation nazi 4

I plan to extend this list, send me your ideas!

The Indefinite Determiner ‘this’

So this random guy walks up to my table, sits down and starts telling a story out of the blue. I have no idea what he is talking about or who he is referring to when he begins, “So this random guy walks up to my table, sits down and starts telling a story out of the blue. I have no idea what he is talking about or who he is referring to when he begins, “So this random guy walks up to my table, sits down and starts telling a story out of the blue. I have no idea what he is talking about or who he is referring to when he begins, “So this random guy walks up to my table, sits down and starts telling a story out of the blue. I have no idea what he is talking about or who he is referring to when he begins, “So this random guy walks up to my table, sits down and starts telling a story out of the blue. I have no idea what he is talking about or who he is referring to when he begins…

Der Grund, warum

Und ich hatte schon gedacht, auf Englisch würde sich niemand darüber aufregen. Anscheinend gibt es aber doch Leute, die das stört:


Der Mann im grünen T-Shirt hatte vorher wohl „the location where“ gesagt – eine unschöne Dopplung, weil sowohl in location als auch in where steckt, dass es um einen Ort geht. In dieselbe Kategorie gehören „the reason why“, „the time when“ und, etwas entfernter, „just because … doesn’t mean …“ wie in Homer Simpsons sehr schönem Sinnspruch „Just because I don’t care doesn’t mean I don’t understand.“ Ich wage mal zu behaupten, dass all diese Wendungen weit weiter verbreitet sind als ihre „richtigen“ Pendants „the reason for which“, „the time at which“ und „that … doesn’t mean“.

Und wenn Sprache logisch wäre, wäre ich arbeitslos.

Trotzdem tue ich hiermit kund, dass es mich im Deutschen zwiebelt, wenn es heißt „der Ort, wo“ statt „der Ort, an dem“, „die Zeit, als“ statt „die Zeit, zu der“ oder – am schlimmsten und verbreitetsten! – „der Grund, warum“ statt „der Grund, aus dem“. Schätze, ich schätze die Vielfalt und Willkür der von den einzelnen Substantiven regierten Präpositionen zu sehr.

Auch die becausemean-Dopplung hat ein unschönes Pendant (wenn auch kein Äquivalent) im Deutschen: „Nur weil es mir egal ist, heißt das noch lange nicht, dass ich es nicht verstehe.“ Dieser Satz könnte jetzt theoretisch als Leserkommentar folgen.

Ersatzinfinitiv, Bewegung, Koordination

Beim Schreiben meines Auslandssemestererfahrungsberichts für meinen Sponsor, die Landesstiftung Baden-Württemberg, stolperte ich heute, als ich versuchte, in einem Verbletztsatz einen Ersatzinfinitv (müssen) und ein normales Partizip II (gelinst) zu koordinieren. Letzteres sehen wir in (1) in natürlicher Umgebung, einem normalen Verbletztsatz. Das Perfekt des Modalverbs müssen wird nicht mit normalem Partizip II, sondern mit Ersatzinfinitv gebildet, wie wir in (2) sehen. Allerdings will zumindest mein Sprachgefühl, dass das Hilfsverb hätte sich dann an den Anfang des Verbalkomplexes bewegt (3). Dasselbe mit (1) zu machen ergibt allerdings Murx, jedenfalls im Hochdeutschen (4). Im einen Fall muss hätte sich also bewegen, im anderen darf es nicht. Wenn man jetzt die beiden Phrasen mit den Master-1-Kursen vorlieb nehmen müssen und möglicherweise neidisch über den Rhein gelinst mit und koordiniert, führt das zum Konflikt. Bewegt man hätte nicht, klingt es für mich komisch (5). Bewegt man es, klingt es sehr komisch (6). Ein unauflösbares Dilemma? Ich bin ihm ausgewichen, indem ich den Satz zu einem Verbzweitsatz umbaute (7).

(1)    dass ich möglicherweise neidisch über den Rhein gelinst hätte
(2) ?? dass ich mit den Master-1-Kursen vorlieb nehmen müssen hätte
(3)    dass ich mit den Master-1-Kursen hätte vorlieb nehmen müssen
(4)  * dass ich möglicherweise neidisch hätte über den Rhein gelinst
(5)  ? dass ich mit den Master-1-Kursen vorlieb nehmen müssen und möglicherweise
       neidisch über den Rhein gelinst hätte
(6) ?? dass ich mit den Master-1-Kursen hätte vorlieb nehmen müssen und
       möglicherweise neidisch über den Rhein gelinst
(7)    ich hätte mit den Master-1-Kursen vorlieb nehmen müssen und
       möglicherweise neidisch über den Rhein gelinst