Unter meinem Fenster ist gerade etwas sehr rhythmisch vorbeigeklappert und -geschnarrt. Dem Klang nach zu urteilen war es ein Pferd auf Rollschuhen.
Archiv der Kategorie: Welt
Rechtsfreier Raum?!
Ursula von der Leyen hat einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, nach dem in Zukunft Websites mit kinderpornografischen Inhalten „gesperrt“ werden können sollen – und zwar aufgrund einer nichtöffentlichen Sperrliste, die das Bundeskriminalamt ediert. Wer auf einen solchen Server gerät – ob auf der Suche nach Kinderpornografie, nach anderen Inhalten auf demselben Server oder aus Versehen – wird dann erfasst und gegebenenfalls den Ermittlungsbehörden mit Name und Anschrift bekanntgegeben.
Der berechtigte Protest gegen den Gesetzesentwurf richtet sich gegen den so noch nicht dagewesenen polizeistaatlichen und undemokratischen Touch der geplanten Maßnahmen. Von verantwortungsbewussten Bürgern wird nicht ausgegangen – die Exekutive würde nach Gutdünken entscheiden, mit dem Ansteuern welcher Server man sich verdächtig macht, und sich der öffentlichen Kontrolle durch Geheimhaltung der Liste entziehen.
Bevor ich zum eigentlichen Rant übergehe, rufe ich zur Mitzeichnung der Petition Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten auf. Danke.
In der aktuellen Zeit hat Heinrich Wefing unter dem Titel Wider die Ideologen des Internets die Stirn zu behaupten, das Aufbegehren richte sich gegen die Durchsetzung des Rechts im Internet. Er unterstellt den Netizens, sie würden sich immer noch in die Vorstellung eines „rechtsfreien Raums“ verbeißen (diese Vorstellung ist seit gefühlten zehn Jahren tot) und, um in Ruhe gelassen zu werden, auch Kinderpornografen lieber unverfolgt und ungestraft lassen. Wefing schreibt, einen Artikel der Sprecherin des Chaos Computer Club zitierend:
Inkompetenz und Bösartigkeit: Wer so auf die Welt außerhalb des eigenen „Lebenraumes“ schaut, dem muss notwendig auch die Durchsetzung des Rechts sofort wie „Zensur“ erscheinen. Der muss Internetsperren gegen Kinderpornografie schon ablehnen, lange bevor feststeht, welche Wirkung sie entfalten. Der sieht überall Mauern hochgehen, „chinesische Verhältnisse“ aufziehen (…)
Hätte er sich einmal den Text der Petition durchgelesen, gegen die er zu Felde zieht, statt irgendwelcher esoterischer Manifeste, wüsste Wefing, worum es geht:
Text der Petition
Wir fordern, daß der Deutsche Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die „Sperrlisten“ weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.
Begründung
Das vornehmliche Ziel – Kinder zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage – im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse. Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt. Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder.
Die Intransparenz, der Generalverdacht, die lächerlich einfach zu umgehende technische Umsetzung: Da sind die Wörter Inkompetenz und Bösartigkeit genau richtig gewählt.
Indes, warum hätte Wefing sich auch mit Fakten aufhalten sollen, wo es ihm doch um etwas Größeres geht: Internet-Bashing, wie es derzeit unter vielen Printjournalisten Sitte ist (siehe dazu z.B. Stefan Niggemeiers Wutmäander zur Qualitätsdebatte). Der Sitte entsprechend sucht sich der Internetkritiker seine Belege an den Stellen, für die er das Internet unter anderen kritisiert, weil da alle möglichen Leute anonym allen möglichen Müll reden: in schlechten Foren und Kommentarsektionen von Onlinejournalen. Die gehören auch nicht zu meinen bevorzugten Lektüren, aber ich finde es gut, dass wenigstens transparent wird, was allenthalben – mit Internet oder ohne – für ein Müll gedacht wird. Wefing dagegen tötet den Boten:
Aber die Ideologie der Freiheit immunisiert nicht nur gegen Kritik und Kontrolle. Sie wirkt auch nach innen, ins Netz selbst. Sie verstärkt die antibürgerliche Gravitation des Internets. Sie hat dort die zivilisatorischen Schwellen gesenkt, die im alltäglichen Miteinander der realen Welt selbstverständlich sind. Sie befeuert den rauen Umgangston, die Regellosigkeit der Sprache, die Wurschtigkeit des Denkens.
Regellosigkeit der Sprache und Wurschtigkeit des Denkens im Internet mehr zu vermuten als anderswo ist schon der erste große Unsinn. Schriftlicher Austausch im Internet ersetzt halt nicht nur „Qualitätsjournalismus“ (wobei die allerallermeisten Zeitungen auch hauptsächlich Müll schreiben und nicht wie die Zeit nur manchmal), sondern auch mündlichen Austausch, Stammtischzeug eben. Der zweite große Unsinn ist, die Wurschtigkeit auf eine „Ideologie der Freiheit“ zurückzuführen. Gerade wenn es jemandem mit der Freiheit wirklich ernst ist, wird er auch die große Verantwortung sehen, die sie für das eigene Denken, Sprechen und Handeln mit sich bringt.
Direkt neben dem gescholtenen Artikel findet sich ein sehr lesenswerter Aufsatz von Gero von Randow, betitelt Geistesaristokratie. Besser und schöner kann man kaum ausdrücken, was Sache ist:
Wer gerne herablassend schreibt, findet im Netz alles, was er braucht. Das Netz ist wie eine Stadt. Sie zu lieben, nur weil sie Schönes beherbergt, wäre nicht weniger töricht, als sie des Abschaums wegen zu verachten. Interessanter ist das Prinzip der Stadt. Sie fügt und lockert die Gesellschaft, vervielfältigt ihre Verknüpfungen und Abgrenzungen, beschleunigt den Kreislauf von Auflösung und Verdichtung. An diesem Prinzip scheiden sich die Geister. Dem Konservativen ist unwohl in einer Welt, in der nicht alles am Platz bleibt. Er hat schon die Stadt und den Asphalt gehasst, um wie viel mehr nun das Netz und die Blogs!
Geld sparen im Web 2.0
I took a bunch of pictures. You can see ‚em on my MySpace page. Along with my favorite songs and movies and things that other people have created but that I use to express my individualism.
Stewie Griffin as Zach
Hierzu muss man sagen, dass das keine Web-2.0-Perversion ist, sondern dass Bücherregale, Plattensammlungen und behängte Wände schon immer nach genau diesem Prinzip funktioniert haben: Man benutzt die Schöpfungen anderer, um seine Individualität auszudrücken. Es ist im Web aber billiger. Wenn ich zum Beispiel ein Buch oder eine CD begehrenswert finde, dann kommt es oder sie in vielen Fällen auf meine Amazon-Wunschliste, und damit ist die Sache für mich erst mal erledigt. Ich habe dann öffentlich meinen exquisiten Geschmack dokumentiert, und das verschafft die gleiche Befriedigung wie ein Kauf.
Ursula März
Ursula März ist ne Marke. Ab und zu schreibt sie in der Zeit, mit Vorliebe über Liebe und Sexualität. Ihre Spezialität: auf allerbizarrste Weise immer alles ablehnen, was vom Mainstream abweicht. Es ist nachgerade ein eigenes feuilletonistisches Subgenre, was sie da begründet hat.
Sonia Rossis Hurenroman „Fucking Berlin“, wo anscheinend die Anerkennung der Prostitution als normaler Beruf gefordert wird, hat sie gekontert mit dem Argument, haha, wenn das als normaler Beruf anzuerkennen wäre, müsste man ja keine Bücher drüber schreiben. Dem mag man zustimmen, die Argumentation krankt jedoch daran, dass sie keinen besseren Grund für die Geringschätzung der Prostitution nennt als die Borniertheit der Gesellschaft, die laut Buch ja gerade geändert werden soll.
Im Zeit-Magazin 13/2009 spürt März vorgeblich der „abendländischen Gesellschaft“ nach, die – so behauptet sie – die Frau mit dem viel jüngeren Mann immer noch viel gründlicher ablehnt als den Mann mit der viel jüngeren Frau. Im letzten Absatz kann sie es dann aber doch nicht lassen, die der Gesellschaft untergeschobene Borniertheit als ganz und gar ihre eigene zu entlarven:
Die Regel sagt: Im besten Fall ist der Mann ein paar Jahre älter als die Frau. Im zweitbesten Fall ist die Frau ein wenig älter als der Mann, aber nicht mehr als zehn Jahre. Wer liebt und lieben will, soll Regeln brechen nach Lust und Laune. Zu verleugnen, dass die Kulturgeschichte unseren Reflexen ein kleines Regelwerk der Liebe eingepflanzt hat, das indes ist Unfug.
Hat ja auch keiner verleugnet, zumindest steht davon nichts im übrigen Artikel. Der Verdacht drängt sich auf, dass März ihr kleines Regelwerk, so hübsch der Bezug auf „Kulturgeschichte“ und „Reflexe“ dies an der Oberfläche zu relativieren versucht, normativ ins Feld führen will. Man merkt: Dumm ist sie nicht, die Frau, sie schreibt gut, nur leider ganz im Dienste tief fehlgeleiteter Reflexe. Ohne die hätte sie sich auch nicht zu diesem Vergleich hinreißen lassen:
Frank-Walter Steinmeier mit einer Frau, die demnächst einen runden Geburtstag feiert, nämlich ihren 70.? Da sträubt sich was, und zwar mit erstaunlicher Kraft. Auf den Punkt gebracht: Ein schwuler Bundeskanzler wäre für die öffentliche Fantasie akzeptabler als ein Bundeskanzler mit einer erheblich älteren Frau.
Auf den Punkt gebracht ist daran gar nichts, da ist nur ein diffuser Nebel aus Homophobie. Was uns zu März’ spektakulärster mir bekannter Entgleisung führt, einen Artikel, in dem die Gleichsetzung von Homosexualität und Päderastie nur die Krönung eines großen Bergs von Unsinn ist:
Und nun Joanne K. Rowling. Dieser Tage hat sie die Auskunft in die Welt gesetzt, Dumbledore (weiser Direktor der Zauberschule Hogwarth) sei schwul. (…) Dumbledore ist für immer (und mit ihm das ganze Harry-Potter-Fantasiegebilde) ausgeliefert an die unliterarische Instanzenwelt psychologischer Aufklärung. Es ist ein Jammer und nichts mehr, wie es war. (…) War die Zauberschule sieben Bände lang nichts anderes als der Kompensationsraum eines unausgelebten alternden Homosexuellen, der gern pubertierende Wesen um sich hat?
Liebe und Sexualität hat es im Harry-Potter-Universum immer gegeben. Als Mensch muss Ursula März sich fragen lassen, warum nun ausgerechnet die Homosexualität einer Hauptfigur die Schranken zu jener ach so schrecklichen „Instanzenwelt“ aufreißt. Und als Literaturkritikerin muss man sie fragen, warum ausgerechnet eine Äußerung der Autorin das tausendmal stärker tun sollte als alles bisher da Gewesene: Sobald man im Bereich der Rezeption, Interpretation und Weiterverarbeitung des Harry-Potter-Universums die allerallermassenkompatibelsten Broadways verlässt, wird man feststellen, dass es ungefähr keinen sexuellen Kompensationsraum gibt, zu dem es nicht längst gemacht worden wäre (im Vertrauen, die Bücher wären ja langweilig, wenn sie sich nicht so gut dazu eignen würden).
On Diversity
Arguing for diversity is a tricky business. In my view, the main difficulty is to distinguish between a) why diversity is good in the first place, and b) why it would be bad to lose existing diversity.
In his book Language Death, linguist David Crystal argues for preserving the diversity of the languages of the world, exceptionally many of which are threatened by extinction nowadays. The second chapter presents five answers to the question “Why should we care?”, the first answer being “Because we need diversity.” Unfortunately, Crystal fails to draw aforementioned distinction. Supposedly, he counters the view according to which mankind would be better off with a single universal language, or as few different languages as possible. Actually, he almost exclusively lists difficulties we would encounter in going the way to a monolingual planet – such as loss of profits for companies whose employees stop to learn foreign languages, or loss of cultural heritage because we wouldn’t be able to understand existing documents any longer. After a few pages, both Crystal’s argument and my patience were in shambles to an extent where I had to take a break and blog my five cents about cultural and linguistic diversity.
The way I think about language, the ability to develop and use it is innate to humans and can’t be taken away from us. It is, in other words, nothing we need to worry about in the context of language death. What is endangered is particular shapes in which our faculty of speech manifests itself, shapes that, for all we can say, will not cease to come into existence, change, and become extinct for as long as mankind will exist. The human facility of speech is like an ingenious algorithm running for eternity, generating a new unique fractal of stunning complexity and beauty every few seconds. While it is understandable that one might want to preserve all of those images, most people will certainly agree that the real value is in the algorithm and not any one of its infinitely many outputs. Likewise, for me, no particular language has any value in itself.
This is immediately relativized by the fact that particular languages are closely tied to particular cultures and human achievements, where I do see value, a lot of value indeed. The language that people speak is part of their identity, it is inextricably linked to their lives, their backgrounds, their social relations, their thoughts, their experiences, their emotions, their achievements, all of which I will subsume under the term culture from now on. One can’t take away people’s language without seriously endangering or damaging people’s culture. Even independently of their speakers, languages receive significance by virtue of being the medium of culture. For example, any philosophy, story, or useful recipe written down or recorded on tape is lost to mankind as soon as the respective language is no longer understood.
But both of these points are in the b) line of the distinction I’m insisting upon here! They are interesting only because we already live in a world with many, many languages. They do nothing to make the “one world, one language” utopia a dystopia. Wouldn’t it be great to live in a world where everybody had spoken the same language from the very beginning? A world without God’s punishment for building the Tower of Babel? Shouldn’t we strive towards tearing down all linguistic barriers, translating all of our cultural heritage into one single language and make that language the new world language, for every new citizen of the Earth to learn as their first language?
A true universal language, used not just as a lingua franca, but by everyone in all or nearly all situations, would certainly simplify a lot of matters. Matters of international communication, matters of preserving and making available information. Sure, the loss of diversity would be deplorable from an intellectual point of view: No more fascinating foreign languages to learn, to study, no more strange counterintuitive grammatical constructions to marvel at. The professions of translation and – to an extent – linguistics would be no more. But this would only take away a certain type of intellectual stimulus from certain language geeks like me, a fetish if you will. The loss would be in the domain of self-sufficient punditry (intellektuelles Gewichse, to put it drastically in German), which shouldn’t stand in the way of progress.
However, I don’t think this would work in the long run. I believe that cultural diversity leads to linguistic diversity, thus linguistic diversity cannot be eliminated except in an inhuman dicatorship. Unless you steal people the freedom they deserve, they will express their individuality, leading to cultural diversity, leading, since people invariably choose language as one means of expressing cultural identity, to linguistic diversity.
I have argued that linguistic diversity is a necessary consequence of cultural diversity, which in turn is a necessary consequence of people being people. I will now finally try to answer the question: Does linguistic diversity have any value of its own? Apart from the intellectual value, the pet of the self-sufficient punditry I mocked above, corresponding to the beauty of fractals, the value that in my view is not a real value at all?
Yes, I think it does. People wouldn’t strive for linguistic diversity if linguistic diversity didn’t do anything for them. The same thing is true for cultural diversity, in which case the desire for individuality and identity obviously play their parts. In linguistic as well as in cultural as well as in biological evolution, most things that persist have a function.
For one thing, linguistic as well as cultural diversity has an educational value. The existence of many different languages and cultures allows for studying them, observing their structures, commonalities and differences, and getting a better understanding of how they work. Diversity helps us to put our prejudices into perspective, to see that one culture or language isn’t “better” or “worse” than another. This is true for some anglocentric American who has almost no contact with foreign languages as well as for the African taxi driver cited in David Crystal’s book, who can communicate in all of the eleven languages of his country but doesn’t value this ability because he deems all of those languages inferior. Yet in a sense the educational value of diversity is merely the solution to a problem that wouldn’t exist without it: In a world without diversity, there wouldn’t be any need to fight prejudice.
Thus, in my view, the strongest argument that can be made for diversity a priori is its protective value. David Crystal’s book reports a point made by Peter Trudgill, namely “that languages as partial barriers to communication are actually a good thing, ecologically speaking, because they make it more difficult for dominant cultures to penetrate smaller ones.” This is a point for linguistic diversity under the premise that cultural diversity is good. Similarly, as a point for cultural diversity, there are cultural barriers, preventing memes from spreading uncontrolledly. Imagine what would happen if the meme “torture is a good thing” gained momentum on a planet with just one culture! Luckily, people from one culture are not too likely to pick up memes from another.
Of course we don’t want those barriers too strong, but sometimes it is good to reinforce them a little. This is when programmes for fostering diversity are called for. A biological analogy is obvious; it involves bark beetles and the hard time they have invading mixed forests whereas monocultures are an easy prey. As another example involving linguistic barriers, consider the burning of Danish flags in the Arab world after those Muhammad cartoons were published. Imagine how much more of that shit we would see in the hypothetical and impossible many-cultures-one-language world.
All of that is relative, mind you. Of course an individual can belong to many different cultures, and even the “belong to a culture” notion isn’t black-and-white but comes in a million degrees and variations. Those partial barriers aren’t walls and constitute no fundamental obstacle to Free Flow of Information, of which I am a fan (remind me to create a Facebook page). I hope I haven’t oversimplified too much – I just wanted to get those points out of my head so I can continue reading that book, hoping it gets better.
„Ein rotes.“
Die einzig richtige Antwort auf die Frage „Was hast’n du für’n Auto?“ Ein klares, souveränes Signal gegen Fahrzeugkult und Statussymbolstatus.
Einwand: Und wenn ich ein blaues/schwarzes/weißes/… Auto hab?
Lieber Mitmensch, man hat keine blauen, schwarzen oder weißen Autos! Unter den einfachen Farbadjektiven geht nur rot konform mit dem treuherzigen Gesichtsausdruck, den die Antwort erfordert. Grün geht vielleicht auch noch. Aber wenn Sie ein Auto in silbermetallic, weinrot, mauve oder eierschale-erbrochen haben – sofort versetzen! Oder umspritzen. Klingt zu angeberisch!
Einwand: Wird das nicht sehr eintönig im Straßenbild?
Das stimmt natürlich. Hm. Guter Einwand. Hmmm. Dann müssen Besitzer andersfarbiger Autos ihren Freundeskreis sorgfältig so komponieren, dass die Frage nach dem Wagen nicht aufkommt. Notfalls müssen sie lügen.
Dezember 2004
Blurb Fail
Walter Krämer ist Statistikprofessor – er gastierte mal in meinem Mathe-LK, um für seinen Studiengang zu werben -, Autor vieler populärer Bücher über Irrtümer und sprachliche Irrwege und der Boss einer sprachschöpferischen Aktion mit guten Grundsätzen, deren tatsächliche Auslassungen jedoch im Großen und Ganzen als peinlich zu bewerten sind. Das muss auch sein neuestes Buch sein, falls jedes Buch den Klappentext bekommt, den es verdient:
Warum denn in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah: In Deutschland gibt es vieles, was einfach toll ist. Walter Krämer listet es auf. Sein Buch ist für die leichte Partyunterhaltung ebenso unentbehrlich wie für die seriöse Information.
Oh Mann. Da kann man ja hoffen, dass die Listenelemente dieses Buches gekennzeichnet sind, was jetzt L.P. und was S.I. ist.
Über Sparsamkeit
Wenn zum Kaufen aufgerufen wird, um die Konjunktur anzukurbeln, und wenn Sparsamkeit der Tugendstatus abgesprochen wird, dann klingt das immer so, als wäre materieller Wohlstand das einzige Ziel des Fortschritts. Dabei ist Arbeitsvermeidung doch auch ein sehr wichtiges. Wenn einer lieber von Hartz IV lebt als einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, ist der dann böse, weil faul? Und wenn einer auf allen möglichen Luxus verzichtet, ist der dann böse, weil Geiz ungeil ist? Oder deuten die sich damit verknüpfenden Probleme nicht vielmehr darauf hin, dass die Allokation von Arbeit, Dienstleistungen und Gütern in der Welt noch nicht smart genug geregelt ist?
Die Luft ist rein
Kaum bashe ich die Kolumne Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt, schon wird sie eingestellt. Davon gnädig gestimmt gebe ich jetzt zu, dass Smokey dort auch viele kluge Sachen gesagt haben mag – ich habe die Interviewchen halt nicht gelesen. Und es kommt zwar ein bisschen spät, aber immerhin hat der Elder Statesman selber auf dem Ende des bescheuerten Formats bestanden.
Heiße, rauchige Luft
Dass die Helmut-Schmidt-Nachrichten, auch bekannt als Deutschlands größte Wochenzeitung, jede Woche ihren eigenen Herausgeber interviewen, ist journalistisch so ungehörig, dass mein anarchisches Gemüt davor fast schon wieder den Hut zieht. Was mich erstaunt ist viel mehr, dass Smokey es mit sich machen lässt. Hauptsächlich ist er damit beschäftigt, persönliche und politische Interviewfragen als gefühlsduseligen Quatsch abzutun. Wäre er wirklich so souverän, wie er sich gibt, würden diese Interviews nicht stattfinden. Altern in Würde ist anders.