A·nuˈskript <auch> A·nusˈkript <n. 11> Manuskript, das für den Arsch ist
ˈein|wer·ten <V. t.> bei der Auswertung hineininterpretieren; die Forscher haben die gewünschten Ergebnisse sehr kreativ in die Daten eingewertet
entˈgäng·lich <Adj.> leicht zu übersehen oder zu überhören
entˈob·ach·ten <auch> entˈo·bach·ten <V. t.> aufhören zu beobachten; aus dem Feedreader entfernen; automatische Benachrichtigungen deaktivieren; klicken Sie hier, um Änderungen dieser Seite zu entobachten
geˈpsycht <Adj.; [-yː-]> aufgedreht; voll Emotion und nicht recht wissend wohin damit [< engl. psyched]
geˈschlös·sent·lich <Adj.> nicht öffentlich
ˈgim·micht <Adj.> voll von Gimmicks (Gags und Stilmitteln, die auf Effekte zielen); viele postmoderne Romane sind entsetzlich gimmicht [vgl. engl. gimmicky]
ˈgleit·zei·chig <Adj.> (von Zeichen) in einem Kontext gleichzeitig zwei verschiedene Bedeutungen habend, zwischen diesen Bedeutungen hin- und hergleitend; in dem Satz „Frauen riechen besser als Männer“ meine ich mit „riechen“ zwei Dinge gleitzeichig
grau <Adj.> von mitteldunkler Hautfarbe; Bezeichnung für Menschen gemischt kaukasischer/schwarzafrikanischer Rasse
hiˈnein|be·triebs·ge·heim·nis·sen <V. t.> durch ein Verfahren, das einem Betriebsgeheimnis unterliegt, in etwas hineinbringen; die Saiten werden in den Rahmen des Tennisschlägers hineinbetriebsgeheimnisst
in·fol·geˈwes·sen <Interrogativadv.> infolge welcher Ursache; infolgewessen stürzte das Flugzeug ab; <konjunktional in Nebensätzen> ein wichtiges Instrument fiel aus, infolgewessen das Flugzeug abstürzte
per·spi·kuˈier·lich <Adj.> einleuchtend, verständlich [verhält sich zu engl. perspicuous wie kontinuierlich zu continuous]
Schluß <m. 1u; [-uː-]> Konklusion, Fazit, abschließende Betrachtung in einem wissenschaftlichen Aufsatz [ein scharfes ẞ wirkt einfach abschließender, also muss man das jetzt mit langem U aussprechen]
ˈSchwum·mer·kam·mer <f. 21> schwach beleuchteter Raum in einem Museum, in dem sich die lichtempfindlichen Ausstellungsstücke befinden
ver·geˈmei·nern <V. t.> gemeiner machen; zusätzliche Gemeinheiten einführen; das Spiel wird noch dadurch vergemeinert, dass zu Beginn einer Runde geschmiedete Strategien durch Mitspieler, die vor einem dran sind, völlig zunichte gemacht werden können
ˈVor·freu·de·wrack <n. 15> einer, dem so viele schöne Dinge in Aussicht gestellt wurden, dass er sich gar nicht mehr zu helfen weiß vor Vorfreude
willˈgan·gen <Adj.> nicht willkommen gewesen und jetzt zur allgemeinen Freude wieder weg; Ggs willkommen
Archiv des Autors: Kilian Evang
Semi-entscheidbar
Auf einer Medizinerparty. Eine Gruppe schickt sich zum Gehen an.
F.: Ich hab mich noch gar nicht von C. verabschiedet. Kommt der noch mal irgendwann wieder?
T.: Weiß ich nicht.
F.: Dann warte ich noch.
Raten Sie mal, wer die Steilvorlage zu einem Kurzreferat über das Halteproblem genutzt hat – und verstanden wurde! Anschaulichkeit ist alles.
Brotsorten
Voraussetzung für den Empfang der Kommunion ist der Glaube an die Realpräsenz Christi. Darum dürfen kleine Kinder (außer in den katholischen Ostkirchen) nicht kommunizieren, da sie den Leib Christi noch nicht von normalem Brot unterscheiden könnten.
Beckers Welt
Peinliche journalistische Unsitten, Folge 983: Eine etablierte Ausdrucksweise mit auskennerischer, gönnerhafter Gebärde als Sprachmarotte einer Randgruppe belächeln und damit nur die eigene horrende Kenntnislosigkeit vorführen. So geschehen schon neulich in der Zeit und diese Woche ebenda erneut. Diesmal trifft es nicht Sprachlehrerinnen und Beamte, sondern einen Banker mit Burnout:
Er betreut dort Firmenchefs, genauer: Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern. Mithilfe der Bank wollen sie Maschinen, Lastwagen, Immobilien dauerhaft mieten, statt sie zu kaufen. Leasen heißt das in Beckers Welt.
Ja, in welcher Welt denn nicht?!
Storno
– Ja, guten Tag, Reisezentrum Tübingen, Huber. Ich habe ein Problem, und zwar möchte der Kunde ein Ticket stornieren, das System lässt mich aber nicht.
(…)
– Okay, probieren Sie mal folgendes: Haben Sie das Ticket vorliegen?
– Ja.
– Dann klemmen Sie das Ticket fest zwischen Daumen und Zeigefinger beider Hände, wobei die beiden Hände dicht nebeneinander liegen sollten, oben in der Mitte des Tickets. Haben Sie das?
– Ja.
– Gut. Dann ziehen Sie jetzt kräftig die linke Hand zurück und die rechte nach vorn. Sie sollten jetzt ein ungültiges Ticket in zwei Hälften in der Hand haben. Haben Sie das?
– Ja.
– Gut, dann kann ich das Ticket jetzt von hier aus als storniert eintragen.
Denken und sprechen
Die Zeit widmet diese Woche dem Niedergang der deutschen Sprache den Aufmacher und eine Doppelseite im Feuilleton. Ulrich Greiner erkennt zum Glück richtig, dass Anglizismen, Genitiv und Konjunktiv nichts zur Sache tun, schiebt sie nach einer halben Spalte beiseite und stürzt sich auf ein sprachphilosophisches Thema, das hierzublog schon hie und da aufgetaucht ist. Seine Thesen geben mir Gelegenheit, ein paar verstreute Frechheiten in geisteswissenschaftliche Richtung abzufeuern.
Zitiert wird aus einem Artikel von Florian Coulmas, Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokyo:
„Unter Wissenschaftlern hat sich herumgesprochen, dass es sich empfiehlt, erst zu denken und dann zu sprechen. Dennoch hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass nicht wir denken, sondern die Sprache für uns.“
Ich finde, das hat Coulmas großartig gesagt. Greiner ist anderer Meinung:
In der Literatur begebe ich mich in die Sprache hinein, und ich weiß nicht, wo ich am Ende herauskomme. Das gilt für nicht wenige Felder der Geisteswissenschaften. Die Philosophie Kants, Hegels oder Heideggers wäre anders ausgefallen, hätten sie Englisch schreiben müssen.
Ja, weniger Geschwurbel und klarer herausgearbeitete wesentliche Gedanken, behaupte ich mal frech.
Natürlich nur dann, wenn der Zwang zum Schreiben in der Fremdsprache bei den drei Herren tatsächlich den Schalter umgelegt hätte von „sich mit der Sprache treiben lassen“ auf „erst denken, dann sich verständlich ausdrücken“. Aber es gibt keinen Grund das anzunehmen; Kant, Hegel und Heidegger hätten wohl auch auf Englisch zu schwurbeln gewusst. Sie hätten dann halt anders geschwurbelt – das ist ja gerade das Problem, wenn man eine Sprache für sich denken lässt. Man sollte es daher nur tun, wenn man Kunst, nicht Erkenntnis erlangen will. Greiner sieht das anders:
Wenn es also Gebiete gibt, wo die Sprache eine erkenntnisleitende Funktion besitzt (was unbestreitbar der Fall ist), (…)
Ah. Und Belege für diese unbestreitbare Tatsache kommen dann nächste Woche als Forsetzung? Das nun folgende Jürgen-Trabant-Zitat überzeugt mich nämlich noch nicht ganz:
„Es gibt wissenschaftliche Betätigungen, die nicht sprachlos Gedachtes, Gemessenes, Gewogenes und Berechnetes als wissenschaftliche Erkenntnis erzeugen, sondern die wissenschaftliche Erkenntnis in Sprache generieren. Wissenschaftliche Arbeiten in den sogenannten Geisteswissenschaften kommen nicht so zustande, dass der Forscher sich zuerst die Ergebnisse denkt und diese dann nur noch bezeichnen und verlautbaren muss. Er schafft mit der Sprache einen völlig aus Sprache bestehenden Gegenstand.“
Man kann sich das nackte Grauen vorstellen, das es für den Leser bedeutet, zu versuchen, solchen „völlig aus Sprache bestehenden“ Gegenständen einen Erkenntniswert abzutrotzen – oder den Spaß, den es bereitet, sie zu verspotten. Bei der Gesellschaft zur Stärkung der Verben haben wir dafür einen Vorgang mit dem Titel Geschwalle.
Nicht funktional, aber dekorativ
Ubuntu 10.04 beim Erwachen auf einem ThinkPad W510:
Der linke Teil sieht aus wie HELP!, der rechte auch ein wenig. Solange der Rest der Botschaft nicht lautet „Ich bin in einer Laptopfabrik gefangen!“ oder „Ich werde von Canonical Ltd. gefangengehalten, weil ich ihrem Weltherrschaftsplan auf die Schliche gekommen bin“, muss ich aber nichts unternehmen, denke ich.
Einleitephrasen im Relativsatz
Der Knüller hier ist Beispielsatz (33). Wer schon weiß, wie Relativsätze im Deutschen funktionieren, kann direkt runterscrollen.
Die einschlägigen Grammatiken sprechen von einem „Einleitewort“ im Relativsatz, so auch die Canoo-Grammatik, der dieser Eintrag ansonsten viel verdankt. Dabei werden Relativsätze im Deutschen von einer ganzen Phrase eingeleitet, die nur in den typischsten Fällen aus genau einem Wort besteht. Kennzeichnend für diese „Einleitephrase“ sind zwei Dinge: Sie ist gegenüber der Nebensatz-Grundstellung nach vorne bewegt und hinterlässt eine unsichtbare Lücke, die ich im Folgenden als Unterstrich sichtbar mache: _. Außerdem enthält sie ein spezielles Wort, das die Verbindung zum Bezugswort des Relativsatzes herstellt. Im typischsten Fall ist dieses Wort eine Form des Relativpronomens der/die/das, wie in den folgenden Beispielen (ich setze die Einleitephrasen fett):
(1) der Mann, der _ das getan hat
(2) die Frau, deren/derer wir _ gedenken
(3) das Problem, dem wir _ nicht beikommen
(4) die Kinder, die wir _ gesehen haben
Es gibt noch das Relativpronomen welcher/welche/welches. Dem fehlen witzigerweise die Genitivformen, ansonsten funktioniert es genau so:
(5) der Mann, welcher _ das getan hat
(6) das Problem, welchem wir _ nicht beikommen
(7) die Kinder, welche wir _ gesehen haben
Dass die Einleitephrase hier nur aus einem Relativpronomen besteht, ist wie gesagt nur der typischste Fall. Die Einleitephrase kann auch ein Substantiv enthalten und ein Relativpronomen im Genitiv als Possessiv-Determinierer nutzen:
(8) das Bett, dessen Füße wir _ abgesägt haben
Oder die Einleitephrase kann eine Präpositionalphrase sein, in der das Relativpronomen das Komplement der Präposition ist:
(9) der Anblick, angesichts dessen ich _ erstarrte
(10) die Leute, bei denen wir _ vorstellig geworden sind
(11) die Sache, über die ich mich _ wundere
Die Einleitephrase kann auch ein zu-Infinitiv sein, in dem ein Dependent (Objekt oder Attribut, Argument oder Adjunkt, was auch immer) des Verbs das Relativpronomen ist – oder es enthält, denn all diese Einbettungsmöglichkeiten lassen sich fast beliebig kombinieren:
(12) das Auto, das zu fahren ich mich _ nicht traue
(13) der Mann, dessen Frau zu kritisieren ich mich _ nicht traute
(13) die Angelegenheit, über die zu sprechen mir _ verboten wurde
(14) der Mann, über dessen Frau zu sprechen mir _ unangenehm ist
(15) der Mann, über dessen Frau sprechen zu wollen mir _ gefährlich erscheint
Dieser Dependent hat die Eigenheit, in der Einleitephrase vorne stehen zu wollen (Sternchen bedeutet falsch):
(16) der Zwirn, mit dem sich anzuziehen er _ toll findet
(17) *der Zwirn, sich mit dem anzuziehen er _ toll findet
Altertümlicherweise gibt es auch Einleitephrasen, die nur aus dem Wort so bestehen; dialektalerweise gibt es welche, die nur aus dem Wort wo bestehen. Sie funktionieren wie ein Relativpronomen im Nominativ oder Akkusativ; ob es auch in Genitiv und Dativ geht, weiß ich nicht:
(18) der Mann, so _ sich Johann Albert Erzbischof von Magdeburg nennt
(19) das Schnitzel, wo ich _ gegessen habe
Im Schriftdeutschen kommt dieses wo nur vor, wenn es mit einer Präposition zu einem (interrogativen) Pronominaladverb verschmilzt und dann als Einleitephrase wie eine Präpositionalphrase verwendet werden kann:
(20) das, wofür sie _ gekämpft hatte
(21) vieles, woran ich _ geglaubt habe
(22) das Beste, womit wir _ rechnen können
Und zwar typischerweise dann, wenn das Bezugswort ein Demonstrativ- oder Indefinitpronomen oder ein substantiviertes Adjektiv im Superlativ ist, wie in den drei Beispielen. Hier Präpositionalphrasen zu verwenden, würde ein wenig ins Umgangssprachliche spielen:
(23) das, für das sie _ gekämpft hatte
(24) vieles, an das ich _ geglaubt habe
(25) das Beste, mit dem wir _ rechnen können
Umgekehrt ist es möglich, bei anderen Bezugswörtern Pronominaladverbien zu verwenden (auch nicht-interrogative), was dann aber altertümlich bis seltsam klingt, zumindest für mein Empfinden:
(26) der Wein, woran sie sich _ labten
(27) der Schlag, darob er _ ohnmächtig wurde
Eingeschobene Ergänzung 21:34 Uhr: Demonstrativ- und Indefinitpronomina sowie substantivierte Adjektive im Superlativ haben noch eine weitere Besonderheit: Besteht die Einleitephrase nur aus einem Relativpronomen im Nominativ oder Akkusativ, so ist dieses häufig nicht der/die/das oder welcher/welche/welches, sondern was. Wie seltsam das daneben klingt, hängt für mich vom Bezugswort und sogar vom weiteren Kontext ab (hat es etwas mit Definitheit zu tun?):
(A1) Hast du alles, was/??das du _ brauchst?
(A2) Hier ist alles, was/?das ich _ brauche.
(A3) etwas, was/das _ mich beunruhigt
(A4) vieles, was/?das ich _ nicht weiß
(A5) das Beste, was/??das _ mir je passiert ist
Entsprechend kann statt dessen wessen stehen, dessen finde ich hier aber natürlicher:
(A6) etwas, dessen/?wessen man sich schämen muss
Dialektal/umgangssprachlich kann was/wessen auch nach sächlichen Substantiven stehen:
(A7) das Kleid, was ich mir _ gekauft habe
(A8) der Sitz, wessen ich mich _ vergewissert hatte – Ergänzung Ende.
Verwandt mit der Verwendung von interrogativen Pronominaladverbien als Einleitephrasen ist die entsprechende Verwendung der normalen Interrogativadverbien wo und warum. Wenn ich meinen pingeligen Hut aufsetze, finde ich das unschön, aber es ist sehr real:
(28) die Stadt, wo ich _ gewesen bin
(29) der Grund, warum ich mich _ nicht daran erinnere
Bei wo muss das Bezugswort einen Ort denotieren, bei warum kommt eigentlich nur Grund als Bezugswort in Frage, vielleicht noch Synonymoide wie Ursache. Der folgende Satz erscheint mir jedenfalls eindeutig falsch, obwohl er Sinn ergibt – man kann den Materialfehler ja als Grund betrachten:
(30) *der Materialfehler, warum ich _ jetzt im Krankenhaus liege
Das Phänomen ist interessant – um zum Beispiel ein Substantiv als Ortsangabe in einen Satz einzubinden, braucht man normalerweise eine Präposition. Welche, hängt stark von dem Substantiv ab: man ist in einer Stadt, auf dem Strand, an einer Universität… wo als Relativsatz-Einleiter hingegen umgeht diesen Zwang zur Präposition. Ganz entsprechend wo und warum fungieren die Konjunktionen wenn (für Gegenwart und Zukunft) und als (für die Vergangenheit), wenn das Bezugswort einen Zeitpunkt oder einen Zeitraum denotiert:
(31) die Zeit, wenn das Öl _ aufgebraucht ist
(32) der Sommer, als wir uns _ kennengelernt haben
Zuletzt ein Typ Einleitephrase, von dem ich neugierig wäre, ob er irgendwo schon beschrieben ist: eine Nominalphrase mit dem Determinierer welch, normalerweise darauf beschränkt in Ausrufen („Welch liebliches Antlitz dieser Morgen zeitigt!“) und indirekten Fragesätzen („Er wusste wohl, welch liebliches Antlitz der Morgen gezeitigt“) satzinitial vor sich hin zu altertümeln, scheint zumindest Gisbert Haefs in dem Krimi Mord am Millionenhügel auch als Relativsatzeinleitephrase zu taugen. Da heißt es gegen Ende:
(33) Nach dem armen Versehrten und dem aufopfernden Kameraden kam nun eine heimatduselige Schilderung des Waldes und des zarten Emil M., Sohn des rechtschaffenen Pflegers im Krankenhaus, welch zartes Knäblein _ am nämlichen Tage im Wald zu lustwandeln sich nicht enthalten mochte.
Faszinierend ist hier vor allem die ganz und gar ungewöhnliche Möglichkeit, dem Bezugswort vermöge Adjektiv und Nomen noch in der Einleitephrase eine weitere Beschreibung zu verpassen. Ist das etwas Altertümliches und ich habe es nur bei Haefs zum ersten Mal bewusst gesehen? Oder hat Haefs selbst die Möglichkeit, bestimmte Einleitephrasen von indirekten Fragesätzen (wo, warum) auch für Relativsätze zu verwenden, auf Nominalphrasen mit welch-Begleiter übertragen?
Dekorativ, aber nicht funktional (2)
Markieren in einem alten PDF-Dokument in Mendeley Desktop:
Wie es sich in Deutschland gehört
„Das große Ereignis beginnt pünktlich, wie es sich in Deutschland gehört.“ Ich habe ja gar nichts gegen Deutschland-Bashing. „Nach eineinhalb Jahren Deutschunterricht erhalten die Frauen aus den Händen des Senators je vier Urkunden in einer Hartplastikmappe. Damit ist es amtlich, wie es sich für Deutschland gehört.“ Aber schon, wenn es so uninspiriert, klischeehaft und rührselig ist, wie Christian Schüle und Özlem Topçu es in der gerade noch aktuellen Zeit betreiben. „Jedes Mal, wenn einer der Sätze auf ihren Zetteln im Lied auftaucht, sollen sie einen Schritt in den Kreis hineingehen. Am ,Hörverständnis‘ arbeiten heißt das auf Kursdeutsch.“ Ja, Hörverständnis, so heißt das. Schon mal in einem Sprachkurs gewesen? Was soll das heißen? Dass es sich um eine weltfremde akademische Angelegenheit handelt, mit der arme Migrantinnen sinnlos behelligt werden? „Mehr als sieben Jahre lang waren sie und ihre Kinder nur geduldet, also eigentlich ,ausreisepflichtig‘, wie es im Beamtendeutsch heißt.“ Muss eine dieser bizarren deutschen Besonderheiten sein, dass in fachlichen Zusammenhängen fachsprachliche Begriffe verwendet werden. Aber es kommt noch ärger: „Das System des Deutschunterrichts für Ausländer ist, typisch deutsch, systematisch: Vor B1 liegt die Eingangsstufe A1.“ Zu Hilfe, ein systematisches System! Und A1 kommt vor B1 – nur der verkrustetste Bürospießer kann da noch die Tränen des Mitleids zurückhalten angesichts eines solchen Ausmaßes an Pickelhaubenhaftigkeit.