Archiv des Autors: Kilian Evang

Belauscht in Düsseldorf (und anderswo)

M.: Den Stowasser würde ich nicht mal unter den Kopierer kriegen, wenn er dazu da wäre, LKWs zu kopieren.

M.: Ich koste es, was es wolle.

M., gequält von Gewissensbissen wegen des Verzehrs fremden Brotes: Ich versündige mich an meines Nächsten Laib!

M.: Wenn Dieter Bohlen an die Macht kommt, wiederholen wir noch einmal den Reichstagsbrand, und zwar mit verteilten Rollen.

K.: Guten Morgen, B. Willkommen in der Welt der Denkenden. Ich hoffe, deine Reise war angenehm und du wirst dich bald hier zurechtfinden.

K.: Jetzt müssen wir doch den Computer aufschrauben. Oder Windows Media Player 7 benutzen.
M.: Ich hol schon mal den Schraubenzieher.

K., über einer Bildbearbeitungsaufgabe verzweifelnd: Du siehst aus wie unsere Tapete. Das machst du mit Absicht.

K.: Du kennst beide, also entscheide.

K.: Ich würde mir nie die Beine mit Wachs entfernen.

K.: Im Moment sag ich allen, dass ich Sprachwissenschaft und Jura studieren werde.
M.: Genau. Und wenn du dann klug bist, verfasst du Rechtsschinken.
K.: Ja. Aber als ob es davon nicht genug gäbe. Zu viele, wage ich zu sagen.
M.: Ja. Aber jedes Gericht würde sie kaufen! Weltweit! Und es gibt viele! Denk nur an die ganzen Fischgerichte!

M. über gelieferte Hardware zu einem noch nicht funktionierenden DSL-Anschluss: Ein Splitter – und nichts zu splitten!

M.: Komm, setz dich hin, es ist nervig. Da steht dann immer so einer, und der ist rot.
R.: Und kastenförmig.

M.: Bin ich Jesus, wachsen mir Schriftrollen aus der Tasche?

R.: Herrn K.s Fragen kann ich immer so aus dem Stammhirn beantworten.

M.: Wenn er noch nasaler spricht, redet er durch die Augen.

M.: Jetzt noch mal für die Leute, die nicht so audiovisuell ansprechbar sind und nur lesen können…

M.: Ausrufezeichen quellen ihm aus Mund und Augen.

S.: Ich kann nur mit glatten Summen rechnen, sonst fall ich ihn Ohnmacht.

M.: Dafür sollst du in der Hölle schmoren!
R.: Ah, das machen wir gerade in Reli.

A.: Ich bin übrigens überzeugt davon, dass die Sterne alle Glühwürmchen sind. Ist doch so, oder?
P., zögernd: Ich finde es immer sehr schwer, über solche Sachen definitive Aussagen zu treffen.

R. über Twilight: In jedem dritten Satz kommt irgendwas über Herzfrequenz oder Atmung.

Belauscht in Wuppertal (und anderswo)

Vater: Bilde mal einen syntaktisch kompatiblen Satz zu: Warum Frauen klüger sind als Männer.Warum eingemauerte Holzbalken beweglicher sind als Bodenturnerinnen.

Schwester: Also Mama, du bist ja voll nicht auf der Höhe!
Mutter: Also bitte, aktualisiere mich!

Vater: Na, du Strohsack?
Bruder: Ich bin kein Strohsack!
Vater: Jetzt wird hier auch noch manifest gelogen. Es ist doch ganz offensichtlich, dass du ein Strohsack bist!

Mutter: Erst baut er barocke Parkanlagen, und dann isst er sie nicht auf!

Eine ältere Freundin der Eltern in einem Rundbrief: Die Welt ist ja immer noch schön, trotz der Menschen.

Cousin 1: Ich lasse mir gerade ein Apple PowerBook vorführen. Abstoßend.
Ich: Ist das noch so ein altes, klodeckelartiges?
Cousin 1: Nein, was mich abstößt, ist die Tatsache, dass ich es nicht habe.

Abendessen.
Bruder: Mann, aus den gelben Tassen schmeckt der Zitronentee besser!
Vater: Also, ich find, an ungeraden Wochentagen schmeckt der Tee aus den gelben Tassen besser und an geraden aus diesen hier.
Bruder: Wie? Also, heute ist Dienstag, das ist ein gerade Wochentag…
Vater: Nein, ich meine heute ist der 23., das ist ein ungerader Tag…
Bruder: Du sprichst von Wochentagen. (böse) Mann, Papa!!!

Bruder: Kann jede Wohnung eine Dienstwohnung sein?
Vater: Ja, im Prinzip…
Bruder: Könnten wir auch in einem Seitengebäude des Buckingham-Palastes wohnen?
Vater: Ja, wenn die Rheinische Landeskirche das so deklariert… aber ich glaube, das müsste dann der Präses gegenzeichnen.

Mutter: Wo ist denn das Restaurant? Ist das noch vor der Kirche?
Vater: Ja, das wurde nicht verschoben.
Mutter: Nein, ich meine doch räumlich noch!
Vater: Ja, das wurde auch räumlich nicht verschoben.

Ich: Am beeindruckendsten finde ich in dem Architekturkalender diese Glaskirche.
Mutter: Ja, die ist wahnsinnig toll!
Bruder: Papa, was wollen die dir damit im Unterton sagen?
Vater: Dass ich Glaspfarrer werden soll?

Ich: Die nennt sich jetzt Bela M., weil es noch eine andere berühmte Sängerin namens Bärbel M. gibt.
Schwester: Wieso Bela?
Ich: Ist wahrscheinlich eine Nebenform von Bärbel.
Schwester, skeptisch: Und Bela B. von den Ärzten?
Ich: Ja, macht doch nix. Je unisex, desto stylish.

Vater: In dem Tübinger Stadtteil Lustnau steckt Lust drin und Aue. Aus Lust-Au wurde Lustnau, das spricht sich besser. Wie nennt man dieses n?
Mutter: Bindelaut.
Vater, verstehend: Ah ja, und wenn der wegbrennt, ist es eine Bindelautentzündung.

Das ver-rückte Labyrinth.
Schwester: Ich schieb das einfach schräg rein, dann komm ich so gerade rum. – Ihr lacht, also darf ich.

Osterferien.
Mutter: Nächste Woche brauch ich euch für Ikea. Am Mittwoch oder so.
Schwester, stöhnend: Mittwoch? Das ist ja mitten in der Woche!

Vater: Bibi Blocksberg ist ein richtiger Spielfilm? Ich dachte, das wär jetzt Zeichentrick oder so.
Schwester: Hast du doch eben gesehen!
Vater: Ja, ich dachte, das wäre jetzt gerade Werbung für ein Medikament namens Hexophobia.

Mutter: Wo ist eigentlich unser altes rotbraunes Gitterbettchen?
Vater: Das bildet den Grundstock eines Kindergefängnisses in einem der Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Ich glaube, Kirgisien war’s.

Regionalexpress.
Schwester: Obertürkheim? Hier wohnen wohl die ganz Konkreten.

Mutter: Du meinst, der Teppich war neulich noch in der Reinigung?
Vater: Ja, guck mal, hier hängt noch ein Beleg dran.
Mutter: Ja, aber der kann natürlich…
Ich: …gefälscht sein?

Mutter: Wo stellst du dich denn da hin mit dem Auto?
Vater: Och, in der Ernststraße ist ein gutes Parkverbot.

Vater hat Bruder bei den Hausaufgaben geholfen.
Mutter: Du hast ja toll gedichtet, M.!
Vater: Nein, das ist doch furchtbar! Steht doch in der Bibel: Des Menschen Dichten und Trachten ist böse von Jugend auf. Ich hab gedichtet, und V. hat getrachtet, nämlich danach, dass ich dichte.

Ich: Nur, ich wüsste jetzt kein Lied von den Wise Guys, in dem das Wort Duschvorhänge auch nur einmal vorkommt.
Bruder: Doch: Ich zünde meine Duschvorhänge an der falschen Seite an.

Vater: Das find ich cool. Das merken wir uns und erzählen es unseren sukzessiven Schwiegermüttern.

Bruder, Wahrigs Deutsches Wörterbuch stemmend: Aaah, irgend so ’n Band gerissen!

Mutter: V., du machst so einen unterbeschäftigten Eindruck. Vielleicht solltest du mal putzen.
Bruder: Was?! Jetzt spiele ich Schlagzeug, mach ganz viel mit Lego, ich liebe Video, DVD und Fernsehen… und CDs hören und Schallplatten – also, Legomännchen oder irgendwelche Sachen auf das Drehding für Schallplatten zu stellen und drehen zu lassen – und liebe alles mit Feuerwerkskörpern und Benzin anzünden und so, und jetzt soll ich putzen!!! Ach so, vielleicht mit Waschbenzin…

Vater: A., vielen Dank für diese Bücher. Da freu ich mich sehr drüber. Da kommt meine ganze Borniertheit zum Ausdruck, dass ich mich über so was freuen kann.

Vater: A., ich liebe dich immer noch mehr als meine Bücher. Da ist immer noch ein messbarer Abstand.

Bruder: Der Verteidigungsminister läuft bestimmt immer mit Bazooka rum. Oder gibt’s auch einen Angriffsminister?

Tante über Cousin 4: Er saß auf dem Sofa und besprach eine Kiwi, sie möge doch bitte 10.000 € gebären. Später, als ich ihn bat, mir beim Spülen zu helfen, sagte er: Ich kann grad nicht, ich muss die Kiwi ausbrüten!

Tante: Ich hab mir sagen lassen, es gibt auch Albinos, denen man das nicht ansieht – die Haare sind nicht weiß und die Augen auch eher hellblau als rot.
Ich: Ich finde, die haben den Namen Albinos nicht verdient.
Cousin 2: Genau! Das sind so Möchtegern-Albinos!

Bruder, eine Brottüte in den überfüllten Kühlschrank stopfend: O Herr, vergib mir, denn ich weiß nicht, was ich tue! Und gnade denen, die den Kühlschrank als nächstes aufmachen!

Mutter: Sollen wir das Blumenbild hier so mittig hängen?
Ich: Ja, wenn schon spießig, dann richtig.
Mutter: Das Bild ist nicht spießig! Meine Großeltern würden sich im Grabe umdrehen, dass ihre Urenkel das Bild, das sie sich damals als junge Leute, als reformorientierte Wandervögel…
Vater: Ja, A., du musst ja schon zugeben, dass dieses Bild jetzt nicht… in einer Zeit, in der Picasso schon Erfolg hatte, in der Dalí schon seine Pinsel auswusch, in der der blaue Reiter schon fortgeritten war…

Vater, sich Bruders Streichholzskulptur und eine Streichholzschachtel greifend: V., es gibt Künstler, zu deren Werken es gehört, dass sie irgendwann abgefackelt werden.

Mutter: V., bei deiner Konfirmandenprüfung kommen dann vielleicht auch Fragen wie z.B.: Was ist dir in deiner Konfirmandenzeit besonders wichtig gewesen?
Bruder: Mir wäre wichtig gewesen, dass die Blätter viermal gelocht gewesen wären!

Mutter: Ich wollte mal wieder einen farbigeren Schal…
Schwester: …und hast dir einen mausgrauen mit rosa Einsprengseln ausgesucht.
Mutter: Erlaube mal, der ist flammend blau und rot!

Vater, komm Klo kommend: Qui scheißit quoque lüfteat.

Vater: Margarine ist ein Streichfett, kein Hieb- und Stichfett.

Mutter zu Vater über die Blutspendezentrale: Die nehmen dich wahrscheinlich nur noch ob deiner Skurrilität.

Cousin 1, übers Fotohandy gebeugt: Das ist mein Vater im Auto. Das war am selben Tag, als ich erfuhr, dass meine Mutter einen Gymnastikball gekauft hatte.

Cousin 1, sich anschickend, Counterstrike zu spielen: Ist das auf Deutsch oder auf Englisch? Aber wie sagt man so schön, die Sprache der Gewalt ist international.

Freund: Es ist erstaunlich, wie die Erdnüsse den Deckel von innen aufgekriegt haben.
Vater: Es wäre noch erstaunlicher gewesen, wenn sie den Deckel von außen aufgekriegt hätten, wo sie doch in dem Glas waren.

Freund: Darf ich mich mal ganz unverschämt hier hinsetzen?
Vater: Nein, du sollst dich, wie es deine Art ist, verschämt hier hinsetzen.

Vater zum Bruder: V., du bist ein ekelhaft faules Lu… hm-tat-ta-hm-pada-pada… ein Drückeberger bist du, du bist die klassische semantische Füllung des Wortes Drückeberger!

Mutter: Wo ist eigentlich die V.?
Bruder: Die übernachtet bei irgendjeman…der.
Mutter: Sehr beruhigend.

Vater: Als wir den K. und die V. hatten, haben wir gedacht: Eigentlich reichen zwei Kinder, aber so einen kleinen Knecht könnten wir noch gebrauchen.

Mutter: V., wir wollten doch jetzt, solange du noch im Haus bist, den Aspekt Knecht etwas stärker betonen.

Bruder: Okay, ich steh um sieben auf (malt eine riesige 7 auf seine To-do-Liste).
Mutter: Mach doch wenigstens zwei kleine Nüllerchen oben dran, damit du nicht in einer Stunde, wenn ich schon schlafe – das heißt, schlafen will und nicht kann, weil ich ja dann da dran denken muss – dich verzweifelt fragst, was mit 7 gemeint ist.

Mutter: Das Müsli schmeckt heute tatsächlich so wie bei Tante Traude früher.
Bruder: Das liegt daran, dass die Anzahl der Bananenstücke eine Zweierpotenz ist.

Bruder: Hat dein Handy auch einen Taschenrechner? Ah, aber der ist nicht wissenschaftlich.
Schwester: Wieso nicht wissenschaftlich? Deine Mutter ist nicht wissenschaftlich.

Lexik, Objektebene und Metaebene

Wie doch die Objektebene die lexikalische Auswahl auf der Metaebene beeinflusst! Heiterkeit folgt.

  • tasting is perceived by FrameNet as PERCEPTION_ACTIVE. (A.)
  • Wir müssen die paint()-Methode dieser Klasse übermalen. (J.)
  • Der Begriff Sentiment Analysis ist im Moment relativ positiv besetzt. (M.)

Weitere Beispiele werden gern entgegengenommen.

Mettre de la diversité

„C’était beau. Vert, blanc. Ordonné. On sentait l’organisation. Ils avaient tout fait pour qu’on soit bien, ils s’étaient demandé: qu’est-ce qu’il faut mettre pour qu’ils soient bien? et ils l’avaient mis. Ils avaient même mis de la diversité: quatre grandes tours, pour varier le paysage; ils avaient fait des petites collines, des accidents de terrain, pour que ce ne soit pas monotone; il n’y avait pas deux chalets pareils; ils avaient pensé à tout, pour ainsi dire on voyait leurs pensées, là, posées, avec la bonne volonté, le désir de bien faire, les efforts, le soin, l’application, l’intelligence, jusque dans les plus petits détails. Ils devaient être rudement fiers ceux qui avaient fait ça.“

 
Die Paradoxie, die Christiane Rochefort (Les Petits Enfants du siècle, Reclam 1991, S. 124) mit feiner Ironie hinter diesen schönen Worten versteckt hat, hat mich schon fasziniert, als der Absatz einmal auf einem kopierten Blatt bei uns im Französischunterricht auftauchte.

„Ils avaient même mis de la diversité“: Vielfalt als eine Einrichtung, die von beflissenen Städtebauern einer Siedlung hinzugefügt werden kann wie Fahrradständer oder Hauseingangsbeleuchtungen. Heute erinnert mich das an das Französische Viertel und das Loretto-Areal in Tübingen. Die herbeigeschaffte Vielfalt nimmt hier die Form verschiedener Farben und Formen an, die die Fassaden der Fertighäuserblöcke schmücken. Es ist wirklich ganz hübsch. Aber mit gewachsener Vielfalt kann es nicht konkurrieren.

Es ist aber bestimmt wesentlich angenehmer als die Großwohnsiedlung Sarcelles, die Rocheforts Erzählerin beschreibt. Wo die gut gemeinte städtebauliche Theorie, „leurs pensées, là, posées, avec la bonne volonté, le désir de bien faire, les efforts, le soin, l’application, l’intelligence“ der stolzen Technokraten in der Praxis fürchterlich schiefgeht. „Ethel riait“, heißt es ein paar Absätze weiter, „Je ne comprends pas ce qui te rend triste; si c’est beau comme tu dis. Oui c’est beau. Alors? Qu’est-ce que tu veux? – Désordre et ténèbres.“

So She Poons That

Ah, Snow Crash von Neal Stephenson! Neulich bei XKCD erwähnt, vom Language Log aufgegriffen und prompt von mir gelesen. Ein Cyberpunk-Roman mit Schlachten, die parallel in realen und virtuellen Welten ausgetragen werden. Mit bemerkenswerten Voraussagen über viele Aspekte der Entwicklung des Internets. Mit vielen Spielereien über Themen der Linguistik, von neuronaler Grammatik bis zu den Grenzen natürlichsprachlicher Expertensysteme. Mit vielen Seitenhieben auf die Gegenwart (1992). Der Roman spielt in einer dystopischen Welt in naher Zukunft, in der es keine Gesetze mehr gibt und in der Staaten zwar noch existieren, aber auf einer Stufe mit Firmen stehen, die an verschiedenen Orten ihre Franchises (bzw. Botschaften) eröffnen und Dienstleistungen anbieten, wie übrigens auch die Mafia. Alles ist privatisiert in dieser Welt, selbst Polizeien und Gefängnisse.

Mehr noch als nerdig und gesellschaftskritisch ist der Roman jedoch witzig. Da gibt es eine Stelle, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Die 15-jährige Skateboardkurierin Y.T. hat gerade einen Mercedes gepoont, also sich zum Ärger und zur Hilflosigkeit des Fahrers mit einer magnetischen Harpune ans Heck gehängt, um gezogen zu werden:

She gets the impression that this Mercedes is sandbagging – driving real slow so she’ll poon something else – so she poons something else, an outgoing delivery truck. Judging from the way it’s riding high on its springs, it must be empty, so it’ll probably move along pretty fast.

Ten seconds later, predictably, the Mercedes blasts by in the left lane, so she poons that and rides it nice and hard for a couple of miles.

Warum finde ich die Stelle so witzig? Es stecken Wiederholungen darin und der Autor weigert sich, die üblichen sprachlichen Kennzeichnungen von Wiederholungen anzuwenden. driving real slow so she’ll poon something else – so she poons something else, nicht etwa so she does that. Und: the Mercedes blasts by in the left lane, so she poons that, nicht etwa: so she poons it again.

Versuch einer Analyse: Es handelt sich nicht um einen, sondern um zwei miteinander verflochtene Texte, die dieselbe Szene aus zwei Perspektiven schildern, etwa so:

She gets the impression that this Mercedes is sandbagging – driving real slow so she’ll poon something else – so she poons something else, an outgoing delivery truck. Judging from the way it’s riding high on its springs, it must be empty, so it’ll probably move along pretty fast.

Ten seconds later, predictably, the Mercedes blasts by in the left lane, so she poons that and rides it nice and hard for a couple of miles.

Rot ist die Teenage-Rebellin, die sich ein Kämpfchen mit der Erwachsenenwelt liefert und es gewinnt. Sie weiß, was der Mercedes-Fahrer gegen sie im Schilde führt und sie triumphiert, als sie ihm seinen vermeintlichen Sieg wieder wegschnappt. Blau ist die eiskalte Profi-Kurierin Y.T., der dieses Spielchen nicht egaler sein könnte. Sie poont einfach immer das schnellste Fahrzeug in Reichweite, das in die richtige Richtung fährt. Beider Schilderungen laufen unabhängig voneinander und sind nur unvollständig zu einem einzigen Text verwoben, daher treten an den Nahtstellen diese seltsamen Wiederholungen auf. So schön hier mit sprachlichen Mitteln die verschiedenen Seiten der Y.T. zwischen kindischer Rebellion und erwachsener Geschäftssinnigkeit ausgedrückt werden, zwei grundverschiedene Herzen schlagen in ihrer Brust nicht: Was könnte den blöden Mercedesfahrer in einem Kräftemessen mit einer frechen Göre mehr ärgern als Opfer gerade des mechanischen Prinzips „Poon den Schnellsten“ zu werden…

Geistiges Eigentum

Ich kann es nur immer wieder betonen: Eigentum hat mir Geistigem Eigentum nichts zu tun außer dem Namen. Der Begriff Geistiges Eigentum begann sein Leben als eine schiefe Metapher und ist jetzt ein feststehender Begriff. Ärgerlicherweise wird immer wieder so getan, als wäre Geistiges Eigentum Eigentum, und zwar sowohl von gewissen Konservativen, um Geistiges Eigentum zu stärken, als auch von gewissen Kommunisten (oder ist das Satire?), um es zu schwächen. Man sollte sie alle den zweiten Satz dieses Artikels tausendmal schreiben lassen.

Liebe Fans der Facebook-Seite „Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg“,

Liebe Fans der Facebook-Seite „Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg“,

ihr seid zur Stunde 285.629 und mindestens sieben von euch kenne ich zumindest flüchtig persönlich. Einerseits erschreckt mich das, andererseits macht es mir Hoffnung, dass der sachliche Dialog möglich ist, den ihr fordert. Euren Kommentaren nach ärgert ihr euch über die Angriffe auf zu Guttenberg von Seiten der SPD, Grünen, der Linkspartei und anderen „Linken“ – aus eurer Sicht Versager, die mit dem Finger auf andere zeigen, sei es aus Neid oder um von eigenen Fehlern abzulenken.

Ich bin derzeit zutiefst empört über zu Guttenberg und seine Unterstützer und würde nahezu jede Kritik an ihm, die ich in den vergangenen Tagen auf Twitter, Zeit Online und Spiegel Online gelesen habe, unterschreiben. Ich passe aber nicht in euer Feindbild. Denn das sind die Fakten:

  1. Zu Guttenbergs Dissertation ist zu weiten Teilen abgeschrieben. Die Fakten lassen bei mir nicht den geringsten Zweifel daran, dass es nicht um ein paar falsch gesetzte Fußnoten geht, sondern um den bewussten und großangelegten Versuch, sich einen Doktortitel zu ergaunern.
  2. Zu Guttenberg hat zwar „Fehler“ zugegeben, es jedoch so formuliert, als wäre es ein Versehen gewesen. Betrogen zu haben, hat er nicht zugegeben.

Wäre er wenigstens jetzt, da die Wahrheit über seine Doktorarbeit ans Licht gekommen ist, ehrlich gewesen und hätte seinen Betrug beim Namen genannt und bereut, ich hätte nichts gegen seinen Verbleib im Amt gehabt. Ich bin beileibe nicht, wie ihr, dem bürgerlichen politischen Spektrum zuzurechnen, aber das heißt nicht, dass mir die Demontage bürgerlicher Politiker Freude bereitet. Er war mir bisher noch nicht mal unsympathisch, sein Charme ließ sich ja nicht bestreiten, er hat die Wehrpflicht abgeschafft und was die Bundeswehrskandale betrifft, verstehe ich nicht genug von Kriegs- oder Heeresführung, um die Angelegenheiten bewerten zu können (von wissenschaftlichem Arbeiten verstehe ich schon ein wenig, daher melde ich mich hier zu Wort). Aber jetzt hat er ein derart unehrliches Verhalten an den Tag gelegt, dass ich ihm keinen Finger breit mehr über den Weg trauen kann.

Obwohl ich kein Freund von Rücktrittsforderungen bin, denke ich daher, dass zu Guttenbergs politische Karriere bis zum Eintreten von Einsicht und öffentlicher Reue beendet gehört. Alles andere wäre die weitere Berlusconisierung Deutschlands.

Jedes Mal, wenn X, dann Y

Oh, ein Stürmchen der Empörung über einen Tweet von Mario Sixtus:

Für jeden Hamburger, der heute nicht wählen geht, stirbt ein Libyer.

Kann man die Empörung verstehen? Zuerst einmal: Was meint Sixtus überhaupt? Das Baumuster seines Tweets ist mir in letzter Zeit auf Twitter häufiger begegnet, es geht so: „Für jede/n/s X passiert Y.“ Oder so: „Jedes Mal, wenn X, dann Y.“ Oder so: „Immer, wenn X, dann Y.“

In solchen Witzen geht es immer um einen Konflikt. Zwischen zwei Gruppen von Menschen A und B mit unterschiedlichen Weltanschauungen, Meinungen oder ästhetischen Präferenzen. Bei Sixtus sind A die Leute, die dafür sind, dass es Demokratie gibt und die es wichtig finden, dass man zur Wahl geht. B sind die Leute, die gegen Demokratie sind und die libysche Demonstranten erschossen sehen wollen. Aus der Sicht von A sind X und Y zu verurteilen, aus der Sicht von B zu begrüßen. Allerdings ist Y ein wesentlich drastischeres Ereignis als X, und so kann man vermuten, dass es zwischen A und B eine ganze Reihe Leute gibt, die sich an X nicht stoßen, Y aber ganz schrecklich finden. Die Jedes-Mal-Witze haben die Funktion zu polarisieren, indem sie diesen Meinungen in der Mitte die Existenz oder die Legitimation in Abrede stellen. Und ich denke, daher kommt ein großer Teil der Empörung über Sixtus: Hamburger Nichtwähler und Nichtwählersympathisanten sehen sich mit einem mörderischen Unrechtsregime in eine Ecke gestellt.

Eine andere Form des Jedes-Mal-Witzes scheint mir weniger anklagend als schadenfroh zu sein, hier @mplusk_:

Jedesmal, wenn jemand „Klickibunti“ sagt, stirbt irgendwo das kleine Kätzchen eines Programmierers.

Und dann gibt es noch die Variante, wo X und Y von unterschiedlichen Gruppen als schlecht empfunden werden und Y somit weniger als eine extrem verstärkte Form von X, sondern als eine Art göttliche Strafe für X erscheint, hier @manu_aw:

Jedesmal wenn irgendwo ein lustiger Babystimmenhandyklingelton ertönt, fällt woanders ein Mobilfunksendeturm um.

Karrierehengst aus Konfliktscheu

„Im beruflichen Bereich sind Männer feige“, so Mascha Bika, weil sie „sich im Beruf ganz schnell vereinnahmen lassen, die Bedürfnisse der Chefs zu ihren eigenen machen, Hausarbeit und Kindererziehung ihren Partnerinnen überlassen und ganz viel ihrer Zeit in entfremdende Arbeit stecken, um sich einem überkommenen Ideal vom Alphamann anzudienen.“ Dass viele Männer, die sich das Geldverdienen eigentlich mit den Frauen teilen wollten, am Ende als einzige Karriere machten, habe „etwas mit Konfliktscheu zu tun“, so Bika.

Englische Bezeichnungen für Satzzeichen

Diverse englische Bezeichnungen für Satzzeichen haben mich hier und da immer wieder milde irritiert; erst neulich ist mir aufgefallen, dass sie sich ihrem Ursprung nach geradezu systematisch nicht auf die Zeichen beziehen, sondern auf die Textabschnitte, die sie umgrenzen: comma, colon, semicolon, period, parentheses, quotes. Habe ich noch welche vergessen?