Archiv des Autors: Kilian Evang

Anglizismus des Jahres 2012

Zum dritten Mal wird nun bald der Anglizismus des Jahres gekürt, dasjenige dem Englischen entlehnte Wort, das 2012 die deutsche Sprache nach Meinung einer linguistisch gebildeten Jury am stärksten bereichert hat – 2010 war es das Verb leaken und 2011 der Shitstorm.

Dieses Jahr habe auch ich die Ehre, der Jury anzugehören, und das Texttheater wird wie auch das Sprachlog und das SprAACHENblog zur Bühne von Überlegungen zu einzelnen Kandidaten-Anglizismen werden. Daher sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass seit vorgestern Anglizismen nominiert werden können. On to you, liebe Leser/innen: Welche Anglizismen haben sich 2012 durchgesetzt und haben eine Würdigung verdient? Reichen Sie Ihre Vorschläge bis zum 7. Januar 2013 auf der Website zum Anglizismus des Jahres ein.

Literaturprojekt: Eine Kurzgeschichte als Maxi-Single

Text von 2004 (Mal wieder. Was für ein kreatives Jahr!)

Wenn man heutzutage in einen Plattenladen geht und eine Single ersteht, bekommt man „entschieden zu viel für sein Geld“ (Max Goldt). Auf den silbernen Datenträgern fürs heimische Reflektophon findet sich eine Vielzahl von Versionen und Remixes, je nach Genre auch Edits, Instrumental Remixes und bei DJs, die glauben, sich etwas schuldig zu sein, auch Experiences, Visions, Ultra Chemical Spicy Acceleration Hybrid Reconstructions gar!

Meine Idee ist, dieses Prinzip auf eine geeignete selbstverfasste oder geklaute Kurzgeschichte anzuwenden, einige Versionen von ihr zu verfassen und dabei Motive, Sprache, Erzählstil, Ausführlichkeit, Kunstgriffe, Perspektive, Abstraktionsgrad, Schwerpunktsetzung etc. bei gleich bleibendem Thema und Handlung auf unterschiedlichste Art und Weise zu variieren. Das Endprodukt ist die „Maxi-Single“ einer Kurzgeschichte, ein variantenreicher literarischer Leckerbissen, für den der Ladenpreis von € 6,99 angemessen erscheint.

Wissenschaftstragödie

Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, hat mit Wissenschaft nicht viel am Hut. Für ihn zählt die Gesichtswahrung des Wissenschaftsbetriebes viel mehr. So erkläre zumindest ich mir, dass er es als „tragödienhaft“ empfindet, wenn die Plagiatekrise nicht dadurch überwunden werden kann, dass der Wissenschaftsbetrug endlich als legitim anerkannt wird, oder dass die, die Plagiate aufspüren, stigmatisiert werden, sondern allein dadurch, dass man in Zukunft stärker darauf achtet, Wissenschaftsbetrug zu verhindern.

Es ist rührend, dass das Blog Erbloggtes auf diese paar hingerotzten, vermutlich witzig gemeinten und doch so entlarvenden Zeilen so ausführlich und klug reagiert. In der Plagiatefalle: Wenn Wissenschaft nicht wissen will ist ein wärmstens zu empfehlender Artikel darüber, was Wissenschaft ausmacht, was Äußerungen zu Plagiatsaffären über Motivationen verraten und – last but not least – was einem die Zehennägel hochrollen sollte, wenn Menschen wie Hartmer jetzt von „Qualitätsmanagement“ reden.

Blogspektrogramm #16

Ad-hoc-Neologismen zur EM: lexikografisch aufbereitet! Die Lexikografie: augenzwinkernd zum ältesten Beruf der Welt bewiesen! Meldungen zum grammatikverschlechternden Einfluss von SMS: als kompletter Stuss entlarvt! Plötzlich verdächtig geschlechtergerecht daherkommende Sprache im Spiegel: argwöhnisch beäugt und kommentiert! Krankengymnasten und KrankengymnastinnenKrankengymnastInnen und Krankengymnast/-innen: vorsichtig gegeneinander abgewogen! Der oder die A380: genuszubestimmen versucht! Die allgemein bekannte Fehlwahrnehmung, dass es genau dann regne, wenn man keinen Schirm dabeihabe u.Ä.: auf den schönen Namen Regenschirmsyndrom getauft. Wie man Deutschen im 18. Jahrhundert die (damalige!) englische Aussprache erklärte: anschaulich erklärt. Und Verben: gesteigert! Ein pralles Blogspektrogramm #16 also bei Kristin im Schplock. Das Texttheater wünscht viel Freude beim Stöbern.

Deutschlandumrundung

Seit 2008 bin ich jeden Sommer zusammen mit Vater und Bruder für ca. 1½ Wochen auf dem Fahrrad und in Jugendherbergen. Das Gesamtprojekt ist eine ungefähre Deutschlandumrundung. Auf folgender Karte ist die bisherige Route skizziert, einschließlich der noch bevorstehenden 2012er Etappe (Update 2013-09-05: und der 2013er), anhand unserer Anreise-, Übernachtungs- und Abreisestationen:


Deutschlandumrundung auf einer größeren Karte anzeigen

2008: Wuppertal – Dortmund – Münster – Lingen – Ostrhauderfehn – Nordenham – Guderhandviertel – Hamburg

2009: Hamburg – Lauenburg (Elbe) – Ratzeburg – Schwerin – Güstrow – Greifswald – Stönkvitz (Rügen) – Stralsund

2010: Stralsund – Anklam – Gartz – Wriezen – Eisenhüttenstadt – Weißwasser – Oybin – Görlitz

2011: Görlitz – Bautzen – Dresden – Torgau – Leipzig – Jena – Neidenberga – Hof – Bayreuth – Nürnberg

2012: Nürnberg – Dietfurt-Töging – Wörth-Hofdorf – Passau – Burghausen – Wasserburg-Attel – Schliersee – München – Augsburg – Ulm

Fortsetzung folgt! Ab 2012 wird es möglicherweise auch GPS-Daten geben.

Kolokynomanie

Es war einmal ein kleiner Junge, der bekam einen Flaschenkürbis geschenkt und wurde von diesem besessen. Die Kindergärtnerinnen und Kindergärtner machten sich Sorgen. „Er hat sich neben mich gesetzt“, berichtete eine, „und mich ganz ernsthaft gefragt: Wo wurdest du geerntet?“ Ein anderer wusste: „Andere Jungs in dem Alter identifizieren sich mit Säbelzahntigern, er mit einem Kürbis. Er ist auch so unsportlich und verkopft und auf Erwachsene fixiert. Ich glaube, er will tatsächlich am liebsten wie ein Flaschenkürbis sein, wo man oben einen Schlauch dranmacht und ihn mit Wissen füllt, und er sitzt einfach da und lässt sich das so gefallen und wird mit der Zeit immer praller.“ Die überforderten Eltern sahen das Problem nicht: „Die Mutter sagt, seine Lieblingsfarbe ist halt Orange.“

Verben steigern

Will man im Deutschen Verben steigern, muss man sich normalerweise mit umständlichen adverbialen Ergänzungen wie mehr, stärker, in höherem Maße, in stärkerem Maße usw. behelfen. Schlimmer noch, es ist nie so recht klar, welche dieser Konstruktionen in welchem Kontext passend ist. Es wird höchste Zeit für eine einheitliche Lösung. Bei der Gesellschaft zur Stärkung der Verben habe ich vor einiger Zeit eine vorgeschlagen, die ich jetzt einer breiteren anderen Öffentlichkeit vorstellen möchte.

Komparativ und Superlativ der Verben orientieren sich an denen der Adjektive. Am einfachsten geht das bei den Partizipien, weil die morphosyntaktisch Adjektiven stark ähneln:

  • Wohnte ich nicht in Berlin-Mitte, würde ich noch viel kritisierter.
  • Er hat sich umso bemühter, je positiver die Rückmeldungen waren.
  • Ich hätte dieses Kapitel strukturierter.
  • Marilyn Monroe gilt als die fotografierteste Frau der Welt. Von ihr wurde sogar am geträumtesten.
  • Das hat ihn getroffener, als er sich zuerst eingestehen wollte.
  • Wir erheben nur auf die Espressotassen Pfand, denn die werden geklauter als die Kaffeebecher.
  • Google-Nutzer werden seit März 2012 noch durchleuchteter.
  • Unter Internetfirmen herrscht ein erbitterter Kampf darüber, wer bei Google am gefundensten wird.
  • O. J. Simpson ist der „mutmaßlichste, freigesprochenste Doppelmörder des Jahrhunderts“ (Der Spiegel)
  • Das Rot in unserem Logo ist etwas gedeckter worden.
  • Es wäre dann zwar nicht strafbarer, aber es würde dir von den Leuten vorgeworfener.
  • Angela Merkel hat im Rededuell überzeugter als Martin Schulz.
  • In Bayern gibt es 15 gesetzliche Feiertage. Den Rest des Jahres wird dafür umso zugepackter.
  • Warum es die Schweiz noch verkackter hat als wir.

Von den Partizpien ist es dann nicht mehr weit zu den finiten Verbformen:

  • Per Mail oder per Skype? – Egal, was auch immer konvenierter.
  • Ehrlich gesagt konvenierst mir das Piratenpad.
  • Frierster du in dieser Jacke nicht noch als in der anderen? Frierstest du nicht sogar in ihr? Es ist doch deine dünnste! – Nein, in der dickeren frierer ich komischerweise.

Blogspektrogramm #15

Was ist Kiezdeutsch? Ist ­jedes niederländische echtpaar auch ein echt paar? Welche phonetischen Eigenschaften machen das Walisische für Nichtmuttersprachler/innen so schwer auzusprechen? Was ist ein Contaphonym? Müssen Appositionen mit einem Komma abgetrennt werden? Wer hat deutsche grammatische Begriffe wie Mehrzahl oder Hauptwort erfunden? Wie schlägt man ein polnisches oder ukrainisches Wort in einem Wörterbuch nach? Was für obskure Wörter notierte der Sänger Nick Cave in seinem Notizbuch? Dies und mehr erfährt, wer den Link im fünfzehnten Blogspektrogramm folgt, diesen Monat bei Michael Mann im Lexikografieblog.