Archiv der Kategorie: Welt

Antifaschisten-Bashing

Ich kann mir nicht helfen, meine verehrte Zeit hat zur Zeit richtig Spaß daran, Leute zu bashen, die sich zumindest bemühen, etwas gegen Neonazis zu unternehmen. Das ist zwar böse, aber lustig:

Landauf, landab zittern die Neonazis schon vor Angst. NPD verboten? Hass verboten? Will also heißen also, Ausländer schlagen verboten? Derlei Aussichten erschüttern das Glatzenwesen bis in die Stiefelschäfte.
Jochen Bittner

„Wir müssen den Jugendlichen eine Bildung vermitteln, die ihnen vermittelt, dass die Demokratie die Gesellschaftsform ist, die ihnen die meisten Chancen bietet.“ Ein Satz wie in Knete gemeißelt. 350 gewalttätige, organisierte Neonazis gibt es nach übervorsichtiger Schätzung des Verfassungsschutzes im Harzkreis Halberstadt, Quedlinburg, Wernigerode. Deshalb verspricht vom Podium herab ein Politiker, dass die Strafverfolgung jetzt (jetzt!) intensiv betrieben werde. Dann kommt der Vorschlag, bis an die Grenzen des Rechtsstaates zu gehen. Dann wird NPD mit SPD verwechselt. Dann Jugendarbeit gefordert. Und dann ruft der Bürgermeister in seiner Verzweiflung den unsterblichen Satz: „Was die Rechten machen, müssen wir auch machen!“
Evelyn Finger

Notlandung in der S-Bahn

Warte ich doch gestern auf die S-Bahn und belausche einen jungen Mann mit Mobiltelefon und leichtem slawischem Akzent: „Stell die Maschine mal auf 3706. … Wie hoch seid ihr denn? … Ihr seid zu hoch. … Nein, Düsseldorf ist der einzige Flughafen. … Mann, Mann, Mann, ich krieg Krise. Wie soll ich euch denn jetzt runterbringen? … Für zehn Minuten Treibstoff? … Aufm Flugzeugträger? … Nein, ihr seid viel zu weit von Deutschland noch weg. … Auf der A46? … Was hat die F16 denn geladen? Habt ihr Sprengstoff, Munition, Raketen? … Zünde mal das zweite Triebwerk … 5, 4, 3, 2, 1, jetzt! … Auch das noch. … Nein, wenn das Triebwerk jetzt nicht zündet, schafft ihr’s nicht mehr nach Düsseldorf.“

Beim Einsteigen in die S-Bahn bemühe ich mich, in seiner Hörweite zu bleiben. Nachdem er im Kopf Berechnungen zur Flughöhe (in Fuß), Strecke bis zum Flughafen (in Kilometern) und Tankfüllung (in Litern) angestellt hatte, telefoniert der Mann noch mit so einer Art Leitstelle und tauschte sich mit ihr darüber aus, was ihn störte: „Dass sie Höhe verlieren. Die werden die Maschine nicht bei 5000 Fuß halten können. … Düsseldorf wollte jetzt ein Tankflugzeug hochschicken. … Sind die Landeklappen auf? Wenn die Landeklappen auf sind, ist gut. Wenn die Landeklappen nicht auf sind, ist schlecht. … Auf der A1? Der Schwertransport müsste jetzt weg sein.“

Ich wüsste gern, was aus dem Flugzeug geworden ist… noch lieber aber, warum seine Notlandung per Handy koordiniert wurde.

Superfeingeistig

Wenn ich mit wildfremden Menschen im Auto zwischen Rheinland und Schwaben unterwegs bin, peinigen mich Eins Live, Hitradio FFH, hr3, SWR3 und wie sie alle heißen. Einer dieser Sender hat eine Horoskop-Sendung, wo Hörer anrufen und sich von einer Astrologin den Fortgang persönlicher Probleme prophezeien lassen können. Die Voraussagen scheinen auf üblicher Küchenpsychologie zu basieren, die Argumente sind jedoch tatsächlich „Jupiter steht im dritten Haus“ usw. Als ich diese Sendung zum ersten und hoffentlich auch letzten Mal in meinem Leben hörte, rief eine Frau an, mit einem Automechaniker liiert. Sie begeisterte sich für Bücher, Musik und Theater, er nicht. Ob eine Beziehung gut gehen könne, formulierte der Moderator, wo der eine sich vor allem für Motoren interessiert und die andere „superfeingeistig“ ist? Das Wort gefällt mir sehr gut für eine, die Beziehungsratschläge in einer Horoskopsendung einholt. Es sagt doch alles, oder?

Server-Umzug mit MediaWiki

Seit März habe ich auf dem eigenen localhost eine MediaWiki-Installation gestylt, mit Inhalt gefüllt und mit Erweiterungen versehen (Spezialseiten und Parser-Hooks, teilweise selbst zusammengehackt). Jetzt ist das Wiki fast bereit für das Licht der Öffentlichkeit. Daher habe ich es jetzt auf meinen Webserver „migriert“. Davor hatte ich ein bisschen Angst gehabt, es ging aber ganz gut. Zum Glück sind die PHP-Konfigurationen auf beiden Servern ziemlich ähnlich. So war nur Folgendes zu tun:

  • Dateien hochladen
  • Einige aus Faulheit hartkodierte URLs im Style-Skript aktualisieren
  • Datenbank-Tabellen per phpMyAdmin exportieren und importieren – hier musste ich die Riesentabelle mw_text in zwei Teilen hochladen.
  • In LocalSettings.php den $wgScriptPath anpassen. Für das „Wurzelverzeichnis“ einer Domain ist das nicht etwa "/", sondern "".
  • MediaWiki unterstützt die Kommunikation mit der Datenbank in UTF8 bisher nur experimentell und optional. Die Inhalte von Wiki-Seiten werden binär, also als BLOBs gespeichert. Die Seitentitel dagegen werden UTF8-kodiert in Feldern gespeichert, die als latin1_bin gekennzeichnet sind. Das führt – aufgrund einer Fehlfunktion phpMyAdmins? – bei jedem Import/Export dazu, dass die Seitentitel um eine Stufe weiter hieroglyphisiert werden. Aus Menü wird Menü, beim nächsten mal würde daraus etwas mit vier komischen Zeichen, und so weiter. Zwei Lösungen habe ich ausprobiert:
    • Quickfix: Die experimentelle Unterstützung für kodierungsbewusste Kommunikation mit der Datenbank ausschalten (LocalSettings.php: $wgDBmysql5 = false), sodass MediaWiki die Zeichen selbst richtig rechnet. Funktionierte, war aber keine gute Idee, da ich die Unterstützung eigentlich eingeschaltet hatte, um in Erweiterungen UTF8-Strings ohne zeitraubendes Konvertieren aus meinen eigenen Tabellen holen und ausgeben zu können. Meine Erweiterungen produzierten jetzt UTF8-ungültige Strings und übergaben sie dem Parser, worauf dieser mit kommentarloser Arbeitsverweigerung reagierte. Ich habe sehr lange gebraucht, um herauszufinden, wieso meine Spezialseiten plötzlich leer waren. Also schnell wieder $wgDBmysql5 = true und…
    • …in Handarbeit alle Seiten mit Sonderzeichen im Titel „verschieben“. :-(

In der Hoffnung, dass diese Notizen mal jemandem helfen, der vor einer ähnlichen Aufgabe steht.

Mogelausdrücke (1)

In einem für Zeit-Verhältnisse nicht sehr gut geschriebenen Artikel stieß mir heute eine Verwendung des Wortes inzwischen auf, mehrfach kurz hintereinander. Zum Beispiel:

Inzwischen haben professionelle Betrüger das Netz als Einnahmequelle entdeckt.

Ich wittere einen typisch journalistischen Mogelausdruck, der im Zweifelsfall „seit zehn Jahren“ bedeuten kann, aber aktuelle Information suggeriert. Auf die Idee, den Missbrauch des Wortes zu bemängeln, komme ich natürlich nur, weil mir der ganze Artikel nicht mit der erforderlichen Ahnung geschrieben zu sein scheint. Andere Mogelausdrücke, die ich nicht mag, tauchen typischerweise in Unternehmens- und Amtskommunikation auf:

In diesem Fall müssen wir leider eine Bearbeitungsgebühr von 20 € erheben.

Die Installation dieser PHP-Erweiterung ist leider nicht möglich.

Was für ein Unfug – als ob die betreffenden Unternehmen da irgendwelchen Zwängen unterliegen würden! Die wollen die 20 €, um die Kundschaft zu konformerem Verhalten zu erziehen, bzw. sie wollen sich den Stress mit der Installation aus Sicherheits- oder Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht machen.

Doch ich bin ein Pharisäer – viel länger ist die Liste der Mogelausdrücke, die ich selbst gerne benutze, wenn ich mich nicht festlegen will oder mehr suggerieren möchte, als ich beweisen kann. „Mal schauen, ob’s jemand merkt“, feixe ich und schreibe:

  • X stellt Y dar – ist X Y, kann X als Y benutzt werden, gibt sich X als Y aus oder wird X als Y wahrgenommen? Es gibt bestimmt noch mehr mögliche Interpretationen.
  • Der Doppelpunkt ist auch so ein Mogelausdruck: Er kann mit praktisch beliebiger Bedeutung gefüllt werden, von denn über daher und zum Beispiel bis hin zu außerdem. Er eignet sich vortrefflich, um kausale Beziehungen zu suggerieren, ohne sich festnageln zu lassen.
  • Es gibt Adverbien, die auf ähnliche Weise Sätze verbinden und die genaue Beziehung im Unklaren lassen. Namentlich kann namentlich vieles bedeuten, nämlich nämlich (denn), als ein Beispiel von vielen, als einziges Beispiel usw.
  • einstweilen ist ein etwas veraltetes und wenig bekanntes Wort, dem wahrscheinlich relativ wenige Menschen sofort anhören, dass sich der damit bezeichnete Zeitraum nach Gusto bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag ausdehnen lässt.
  • Wenn kein aber, nur o.Ä. folgt, ist das Wort eigentlich semantisch praktisch leer. Wenn etwas eigentlich so ist, dann ist es in aller Regel so, Punkt. Ein nützliches Zwischending zwischen eigentlich und fast ist das Mogelwort praktisch. Es ist nicht so bestimmt wie eigentlich, klingt aber auch nicht so einschränkend wie fast.

Protokoll eines Scheiterns

Normalerweise bin ich darauf bedacht, Besitzern von Autos, die vornehmlich dazu zu dienen scheinen, Blicke auf sich zu ziehen, die dann als neidvoll interpretiert werden können, diesen Gefallen nicht zu tun. Als ich mir heute dennoch gerne durch das Betrachten eines quietschgelben Mercedes-Sportwagens Lustgewinn verschaffen wollte, beschloss ich, statt der Karosse zunächst einmal die Besitzerin zu fixieren und schnell wegzugucken, falls sie durch Gucken in die entsprechende Richtung von meinem Betrachten Wind zu kriegen drohen würde. Dieser Plan scheiterte auf der ganzen Linie an den dunkel getönten Scheiben des Autos, das, als ich die Umrisse der Fahrerin zu erahnen begann, schon praktisch vorüber war.

Im weiteren Sinne ironisch

Mit der nötigen Geistesabwesenheit hätte ich mich eben elektrokutieren können, nämlich, indem ich mit einem leitenden, spitzen Gegenstand das Pappschild „geprüfte Sicherheit“ aus der bereits eingesteckten neuen Mehrfachsteckdose gepult hätte.

Announcement Center

Die Grenzen des depperten Aussehens neu aus lotet, wer eine dünne Notkapuze mit einer verkehrt herum aufgesetzten Baseballmütze fixiert. Eigentlich will ich heute aber über eine neue, leider noch nicht geschaffene Möglichkeit schreiben, Studien zu finanzieren – so etwas Ähnliches wie ein Call Center, aber nicht so entwürdigend.

Die Workforce eines Announcement Centers säße vor Bildschirmen, die mit Informationen von der Leitstelle der Deutschen Bahn gespiesen würden. Nämlich welcher Zug gleich welchen Bahnhof erreicht, welche Anschlüsse dort bestehen und welche Züge leider nicht mehr warten konnten. Dies durchzusagen ist nämlich an und für sich ein guter Dienst am Fahrgast, gerät aber leider zur Qual, wenn es zu leise, zu laut, krächzig, gepresst und in einem völlig bescheuerten, widernatürlichen Tonfall geschieht. Die Workforce eines Announcement Centers hätte gelernt, auf angenehme und professionelle Weise in ein Mikrofon zu sprechen, und täte das dann zentral.