Was bisher geschah: Schöne Wörter, Lieblingswörter.
Die Künste, bei denen es nicht ums Geldverdienen ging – also alles außer Arzt, Anwalt und Banker Pfarrer – wohnten früher in einem Baum mit sieben Blättern und zwei internen Knoten. Einer dieser Knoten hieß „Quadrivium“, weil er vier Kinder hatte, nämlich die Arithmetik, die Musik, die Geometrie und die Astronomie. Bevor man allerdings in diesen Wissenschaften reüssieren konnte, musste man sich in Grammatik, Rhetorik und Logik schulen, dies waren die anderen drei Künste, Kinder des „Triviums“, des propädeutischen Knotens. Daher kommt der Begriff trivial, heute ein Etikett, das in der Wissenschaft mit ziemlicher Beliebigkeit allem aufgeklebt wird, womit man sich jetzt nicht aufhalten möchte, was aber auch hartnäckigem Ausrechnen, Herausfinden oder Reproduzieren keine größen Probleme bereiten sollte. Von dort aus ist das Wort in die Umgangssprache gewandert, wo es nichts anderes als „einfach“ bedeutet. Man füge eine jargonesque Steigerung hinzu und erhält ultratrivial, ein Wort, das ich aufgrund dieser Herkunft ziemlich cool finde.
Auch meine drei neuen Lieblingswörter aus dem Englischen sind in der Wissenschaft heimisch und lustig: strangelet, subformulahood (die Eigenschaft, eine Teilformel zu sein) sowie allowable, das auf dichtestem Raum zwei sehr ähnliche Modalitäten – die es Dürfens und die des Könnens – unterbringt, ohne von sonstiger Bedeutung zusammengehalten zu werden.
Aus der Rubrik „veraltendes Wortgut und allein schon deshalb schön“ haben wir diesmal alleweil, das sich wunderbar für Klagen über Nervereien ohne Ende eignet. Auch tunlichst ist schön emotional, intensiver kann man kaum warnen als mit diesem Adverb. Die Wörter wälzen und klobig bringen klanglich sehr schön Sperrigkeit zum Ausdruck.
Schließlich noch zwei Vertreter der Königsklasse der schönen Wörter: Wörter, bei denen es einfach schön ist, dass es für so eine spezielle Bedeutung ein eigenes Wort gibt. Wörter, die es immer wieder ermöglichen, einen Sachverhalt treffend zu bezeichnen, den man sonst im Schwammigen belassen oder aufwändig umschreiben müsste. Muße ist so ein Wort, das nicht nur die für manche Erledigungen nötige äußere Ruhe einfängt, also die freie Zeit, die bloße Abwesenheit von Terminen und Störungen, sondern auch die oft viel bitterer nötige innere Ruhe, den Zustand, in dem sich die Musen an einen heranwagen. Und das Verb kokettieren ist schön; es bedeutet heute oft ein Spiel mit Gedanken und Meinungen, die man normalerweise ablehnen würde, die aber doch irgendwie einen Appeal ausüben. Kokettieren kann man zum Beispiel mit einem Alkoholproblem oder mit der schönen Gestaltung einer Nazizeitung. In beiden Fällen kann das Kokettieren im Scherz störende Krusten aus Verdrängung oder überflüssiger political correctness aufbrechen helfen.
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